Südlich der Grenze, westlich der Sonne ist zugegebenermaßen kein besonders attraktiver Titel. Viel zu lang, viel zu langweilig. Und doch ist es richtig, dass DuMont sich für die Neuübersetzung auch zu einer Umbenennung des Romans entschieden hat, der vorher Gefährliche Geliebte hieß.
In den 90er Jahren sorgte Gefährliche Geliebte im literarischen Quartett zu einem Eklat, der Murakami schlagartig bekannt machte und seinen Erfolgsweg in Deutschland ebnete. Die damalige Buchausgabe war noch nicht direkt aus dem Japanischen, sondern über Umwege aus dem Englischen übersetzt. Nach nun fast 20 Jahren hat DuMont dem Roman eine komplette Neuübersetzung spendiert, die aus der Feder von Ursula Gräfe kommt, die auch die letzten Romane Murakamis übersetzte.
Dass sich die Neuübersetzung sprachlich wie stilistisch gelohnt hat, zeigt ein detaillierter Vergleich der alten und neuen Übersetzung. Trotz Unterschieden im Stil, bleibt inhaltlich aber natürlich alles beim Alten:
Hajime ist kein Außenseiter, aber irgendwie steht er außerhalb der Gesellschaft. Schon in der Grundschule fühlt er sich allein und nicht verstanden: Alle Kinder haben Geschwister, nur er ist ein Einzelkind. Als mit 12 Jahren Shimamoto, ebenfalls ein Einzelkind, in seine Klasse kommt, schweißt diese Gemeinsamkeit beide sofort zusammen. Ihre Wege trennen sich nach ein paar Jahren wieder, doch Hajime kommt über sie nicht hinweg.
Südlich der Grenze, westlich der Sonne erzählt Hajimes Lebensgeschichte zwischen 12 und 37 Jahren, erzählt von seinem Erwachsenwerden, seinen ersten sexuellen Erfahrungen, seinem Studium zu Zeiten der Studentenunruhen und seiner Karriere zum Höhepunkt der Bubble-Economy.
„Als Kind habe ich mich immer gefragt, was eigentlich südlich der Grenze sein soll“, sagte ich.
„Ich auch“, sagte Shimamoto. „Als ich erwachsen war und den englischen Text lesen konnte, war ich ziemlich enttäuscht, dass es bloß um Mexiko bin.“ (184)
Der Ton ist recht nüchtern und unbeteiligt, was Hajimes Blickwinkel entspricht, aus dem er erzählt. Er ist desillusioniert und weiß, dass er sich selbst im Weg steht. Obwohl er sich seiner Probleme durchaus bewusst ist, kann er nicht über seinen Schatten springen. Diesen Schatten dann doch zu überwinden und zugleich die schwierige Beziehung zu Shimamoto zu klären, zieht sich als roter Faden durch den Roman.
Inhaltlich steht Südlich der Grenze, westlich der Sonne den Romanen Naokos Lächeln und Sputnik Sweetheart am nächsten: die Thematik des Erwachsenwerdens und der damit verbundene Weltschmerz, eine komplizierte, fragile Frauenpersönlichkeit und zwei Liebende, die nicht zueinander finden – all dies enthält auch Südlich der Grenze, westlich der Sonne, allerdings ist er wohl der einzige Roman Murakamis, der ohne magische oder surreale Elemente ganz dem realistischen Erzählen verhaftet bleibt.
Fazit
Ein melancholischer Liebesroman, voll von verpassten Chancen, dem Gefühl von Einsamkeit und der Sehnsucht nach Nähe.Verfasst am 31. Mai 2013 von Friederike Krempin
Tags: erste Liebe, Geheimnis, Haruki Murakami, unerfüllte Liebe