Schon vier Jahre ist es her, seit Murakamis letzter Roman Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki erschienen ist. Zwar gab es zwischendurch eine Neuveröffentlichung mit Erzählungen, aber Erzählungen sind einfach nicht dasselbe wie ein schöner, dicker Roman.
Die Ermordung des Commendatore scheint wieder ein solcher Roman zu werden: Genau wie 1Q84 erscheint er in zwei Teilen*, umfasst zusammen fast 1.000 Seiten – und der Plot hört sich vielversprechend an.
Eine äußerst ruhige Handlung
Der 36-jährige, namenlose Maler gerät in eine Krise, als seine Frau ihn verlässt. Er zieht sich in ein auf den ersten Blick ruhig scheinendes Haus in den Bergen zurück, doch ohne es zu bemerken, macht er Bekanntschaften, durch die er immer weiter in eine Situation verwickelt wird, in der Realität und Einbildung, Naturgesetze und Magie, nicht mehr zu unterscheiden sind.
Bemerkenswert an der Ermordung des Commendatore ist, mit welcher Ruhe Murakami seine Geschichte entwickelt. Für alle, Murakamis Erzählstil noch nicht kennen, könnte diese Erzählweise vielleicht sogar ein wenig zu ruhig wirken. Aber auch Kenner ist die Romanhandlung ungewöhnlich ruhig. Zwar wird langsam Spannung aufgebaut, zwar wird das Lesen nicht langweilig – und trotzdem bleibt das Gefühl, dass kaum etwas passiert.
Für Murakami-Fans nichts Neues
Murakamis Romane ähneln sich – vielleicht so, wie sich auch andere Romane großer Autoren, die regelmäßig veröffentlichen, ähneln. Durch die Romane von Nobelpreisträger Kenzaburo Ôe beispielsweise zieht sich meist das Motiv seines behinderten Sohnes, bei Kult-Autorin Banana Yoshimoto erleiden die Protagonisten einen großen Verlust, den sie überwinden müssen. Auch bei Murakami gibt es solche Motive.
Die Parallelen zwischen der Ermordung des Commendatore, dem letzten Roman Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki sowie Mister Aufziehvogel von 1994 sind aber enorm: Bei allen dreien gibt es zu Beginn eine Krise, bei der jemand verschwindet oder eine Beziehung beendet. Bei allen dreien lebt der Protagonist zurückgezogen von der Welt und stößt dabei auf mysteriöse Vorgänge. Murakamis berühmten Brunnen als Metapher gibt es in Ermordung des Commendatore in Form eines Lochs in der Erde. Und einen Rückgriff auf eine Geschichte in der Vergangenheit nehmen wiederum alle drei – ein Mal auf die Sechziger, zwei Mal auf den Zweiten Weltkrieg.
Natürlich zeichnen sich bei inzwischen über zehn erschienenen Romanen irgendwann Muster ab. Dass Murakami seinem Stil treu bleiben und trotzdem variieren kann, hat er zuletzt mit 1Q84 gezeigt. So gut Murakami prinzipiell auch schreibt, der erste Teil von der Ermordung des Commendatore wirkt aber trotzdem wie ein Best Of seiner bisherigen Romanen. Mit einem Best Of wird man zwar gut an die bisherigen Dinge, die man gerne mag, erinnert, es bringt aber nichts Neues hervor.
Die Ermordung des Commendatore ist deshalb sicher nicht gleich ein schlechtes Buch. Verglichen mit anderen Neuerscheinungen abseits des Murakami-Universums ist es absolut lesenswert, gemessen am Murakami-Maßstab gib es aber Titel wie Mister Aufziehvogel oder Wilde Schafsjagd, die man lesen sollte, wenn man nachvollziehen möchte, was das Besondere an Murakamis Erzählstil ist.
* Noch ein interessanter Fakt zur Veröffentlichung des Roman in zwei Teilen: Dumont folgt dabei nun seit neustem direkt der Publikationspraxis in Japan. Dies war in Japan schon bei früheren Büchern üblich, die bei uns als Einzelband erschienen sind: Wilde Schafsjagd, Hard Boiled Wonderland und Kafka am Strand sind in Japan beispielsweise in zwei Teilen, Mister Aufziehvogel sogar in drei Teilen erschienen.
Fazit
Kein schlechtes Buch, aber am Murakami-Maßstab gemessen nur durchschnittlich. Vielleicht gleicht der zweite Teil das noch aus.Verfasst am 26. Januar 2018 von Friederike Krempin
Tags: Haruki Murakami, Heilung, Kunst, Ruhe, Selbstfindung