Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki



色彩を持たない多崎つくると、彼の巡礼の年

Haruki Murakamis Romanen scheint eine ganz eigene Erfolgsgarantie innenzuwohnen. Zwei Jahre nach 1Q84 legt er mit die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki nun einen schmaleren Roman nach, der schon vor seiner Erscheinung in Japan alle Bestellrekorde brach.

Dabei war die Marketingstrategie eine ganz simple: Kündige einen neuen Roman von Haruki Murakami an, verrate nichts über den Inhalt und über das Cover – er wird sich schon verkaufen. Dabei ist Murakamis neuester Roman, obwohl er sowohl in Japan als auch in Deutschland große Aufmerksamkeit erfährt, diesmal ein ganz unauffälliges, ruhiges Buch – dem der Hype vielleicht auch gar nicht so gerecht wird.

Der Inhalt in Kürze

Tsukuru Tazaki ist „farblos“: Er sticht durch nichts Besonderes hervor, interessiert sich für nichts Besonderes – außer Bahnhöfen – und ist in seiner Clique der einzige, der einen „farblosen“ Namen hat. Ähnlich wie schon bei 1Q84 benutzt Murakami hier wieder ein Wortspiel, das nur im Japanischen funktioniert: Ao, Kuro, Shiro und Aka – „Blau“, „Schwarz“, „Weiß“ und „Rot“ sind Namensbestandteile der Freunde in Tsukurus Clique. Nur Tsukurus Name weicht ab, denn er enthält keine Farbe. Ins Deutsche übersetzt bedeutet tsukuru (つくる) einfach „machen“. Tsukuru fühlt sich deshalb als unbedeutende Randperson. Als die vier Freunde seiner Clique ihn Tages ohne Erklärung ausschließen, scheint sich sein Eindruck, das fünfte Rad am Wagen zu sein, zu bestätigen.

Für Tsukuru beginnt ein zurückgezogenes Leben in Tôkyô, in dem immer wieder Personen mit „Farben“ im Namen seinen Weg kreuzen und dann wieder verschwinden. Nach 16 Jahren der Passivität macht er sich schließlich auf, mit seinen alten Freunden zu reden und die Vergangenheit aufzuarbeiten.

Parallelwelten fehlen

Murakami bleibt mit diesem Roman ungewohnt realistisch. Es gibt keine Parallelwelten und keine Little People, nirgendwo eine Wand, die in einen unbekannten Raum führt und keinen Brunnen zum Nachdenken. Allenfalls ähnlich wie bei Kafka am Strand sind die Träume der letzte Raum, in dem Realität und Imagination nicht mehr auseinanderzuhalten sind – und deshalb auch der letzte Raum, in dem noch surreale, phantastische Dinge geschehen, wenn auch keinesfalls mehr in der Intensität, wie wir es von Murakami gewohnt sind.

Ernst und Erwachsen

Der Roman ist ernst und fast schon ein wenig zu erwachsen. Es gibt lange Dialoge, in denen Tsukuru mit seinen Freunden spricht. Endlose Dialoge, aber am Ende nur wenig Handlung. Ein kleines Highlight ist Tsukurus Reise nach Finnland, doch am Ende bleibt das schale Gefühl zurück, dass die Hauptfrage, die der Roman stellt, auch auf wenigen Seiten hätte beantwortet werden können. Und so enthält auch das letzte Kapitel des Romans enttäuschenderweise keine überraschenden Wendungen, sondern fasst die Geschehnisse noch einmal zusammen. Aber auch wenn die Magie dieses Mal ein wenig fehlt – der wunderbrare Erzählstil, so wie wir ihn von Murakami gewohnt sind, ist doch irgendwie da. Zum Hype reicht es für mich allerdings nicht.

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Fazit

Insgesamt reicht Murakamis neuester Roman nicht an seine Vorgänger heran, schön zu lesen ist er aber trotzdem.

Verfasst am 25. Januar 2014 von
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 18. August 2019

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