Dieser Roman enthält gleich zwei Geschichten auf einmal: zwei Protagonisten leben jeweils in einer Welt – einer im „Hard-boiled Wonderland“, einem Tôkyô in ferner Zukunft, in dem ein Datenkrieg herrscht. Der andere lebt am „Ende der Welt“, in einer durch hohe Mauern eingegrenzten surrealen Stadt, in der die Uhren still stehen und die Menschen keine Schatten haben.
Im „Hard-boiled Wonderland“ kämpfen zwei rivalisierende Gruppen – das „System“ und „die Fabrik“ um Daten. Der namenlose Protagonist arbeitet als Kalkulator für das System, das heißt er verschlüsselt Daten und schützt sie so vor der Fabrik. Als er von einem seltsamen Professor, der sein Labor tief unter der Erde hinter einem Wasserfall hat, einen Datenwaschauftrag bekommt, beginnen seine Probleme: alle scheinen plötzlich hinter ihm her zu sein. Nicht nur hinter ihm, sondern auch hinter einem mysteriösen Tierschädel eines Einhorns, den der Professor ihm geschenkt hat.
Am „Ende der Welt“ lebt der andere Protagonist dagegen recht friedfertig. Nicht nur dem Leser, auch ihm selbst scheint nicht ganz klar zu sein, warum er überhaupt in dieser seltsamen Stadt ist, aus der es keinen Ausweg gibt. Sorgen macht ihm nur, dass er seinen Schatten beim Betreten der Stadt abgeben musste – verliert er ihn, verliert er auch seine Seele.
So grotesk die beiden Geschichten auch wirken, Murakami baut sie plausibel auf und schafft es sogar, beide Welten kunstvoll ineinander zu verweben. Durch die Abwechslung der zwei Welten – spannende Passagen wie aus einem Actionfilm lösen ruhige, dafür aber surreale und seltsam anmutende Szenen ab – bleibt der Roman sehr abwechslungsreich.
Wie facettenreich Murakamis Werk ist, zeigt sich an diesem Roman, wenn man ihn mit Murakamis eher realistischen Werken wie Naokos Lächeln oder Gefährliche Geliebte vergleicht. Für Fans von Murakamis surrealeren Werken sowie für Freunde von Science-Fiction ist der Roman ein Muss. Aber auch Einsteigern ist er zu empfehlen, zeigt sich in diesem Werk doch Murakamis Einfallsreichtum und erzählerisches Können.
Fazit
Unkonventioneller Aufbau und spannende, genauso unkonventionelle Story. Unbedingt lesen!Verfasst am 25. April 2010 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 23. August 2019