Kirino ist inzwischen für ihre grausamen, teilweise ekelerregenden Romane bekannt, die sich irgendwo zwischen Thriller und Kriminalroman bewegen. Abseits der Kimonos, Geishas und dem ewigen japanischen Lächeln erzählt sie von den dunkelsten Seiten Japans.
Dabei sind ihre Geschichten eigentlich weniger japanspezifisch, sondern könnten überall auf der Welt spielen. In Teufelskind geht es, wie der Titel auch schon ankündigt, um ein vernachlässigtes und verwahrlostes Kind, Aiko, das inzwischen zwar eine erwachsene Frau ist, durch ihre prekäre Situation in der Vergangenheit aber gefühlskalt geworden ist und alle Menschen bei lebendigem Leib verbrennt, die sie irgendwie beleidigen oder die ihrer Ansicht nach ein besseres Leben haben als sie.
Aiko wird in einem Bordell geboren. Ihre Mutter bleibt unbekannt, aber die Bordellmutter zieht sie in einem Wandschrank groß. Aiko ist nicht behördlich registriert und darf so auch nicht in die Schule gehen. Erst als sie wegläuft, greifen die Behörden sie auf und schicken sie in ein Waisenhaus. Wie ein roter Faden zieht sich Aikos Identitätssuche durch das Buch.
Interessant ist, dass nicht nur Aikos Grausamkeit geschildert wird, sondern in zahlreichen Nebengeschichten auch Aikos Umfeld portraitiert wird. Der Roman klagt keine einzelne Person ein, gibt weder der Bordellmutter noch den Behörden direkt die Schuld, indem Kirino aber insgesamt nur Charaktere auftreten lässt, die am Rande der Gesellschaft stehen oder innerlich gefühlskalt sind, wird deutlich, dass Aiko ein Produkt ihrer Umwelt ist, dass das Böse, was aus ihr kommt, erst in sie hineingepflanzt wurde.
Neben Aikos eigener Geschichte sind gerade auch die Charaktere um sie herum deshalb interessant: Da gibt es zum Beispiel Aikos ehemalige Betreuerin aus dem Kinderheim, die heute mit einem ihrer Schützlinge zusammenlebt und ihn vor dem Geschlechtsverkehr pudert und wickelt wie ein Baby. Oder die reiche Frau, die zwar erfolgreich ist, dafür aber gefühlskalt einer anderen Frau ein Kind weggenommen hat. Besonders skurril ist ein Mann, der im Haus einer der ehemaligen Prostituierten aus Aikos Bordell lebt: Während die Prostituierte spurlos verschwunden ist, hat er sich im Wohnzimmer ein Haus aus Zahnstochern gebaut, in dem er wohnt.
Teufelskind ist weniger ekelig als Die Umarmung des Todes, nicht so langatmig und vereint viele Lebensgeschichten auf einmal auf knapp 200 Seiten. Es bietet damit einen guten Einstieg in Kirinos Schreibstil, auch wenn davor gewarnt werden muss: Kirinos Bücher enden immer trostlos und treiben noch dem letzten Leser seinen Optimismus aus.
Fazit
Ein ungewöhnliches Buch, das neben Krimi- und Thriller-Liebhaber auch andere Leser begeistern könnte.Verfasst am 19. Juni 2011 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 18. August 2019