Wo steht die japanische Literatur nach Fukushima? In diesem Sammelband sind aktuelle Kurzgeschichten bekannter japanischer Schriftsteller gesammelt.
Wie reagierten die japanische Schriftsteller auf Erdbeben, Tsunami und Atomunfall 2011? Spiegelt sich die Katastrophe auch in ihren aktuellen Werken wieder? Die Neue Rundschau, die diesmal das Schwerpunktthema Japan hat, macht nun endlich auch deutschen Lesern die aktuellen Gedanken japanischer Schriftsteller zugänglich. Dabei sind durchaus prominenten Namen vertreten: Der Nobelpreisträger Kenzaburo Ôe, der übrigens schon seit langem ein Gegner der Atomkraft ist, kommt zu Wort. Auch Hiromi Kawakami und Natsuo Kirino steuern jeweils eine Kurzgeschichte bei.
Nicht alle Schriftsteller reagieren dabei, wie man zunächst vermuten könnte, mit direkten Worten auf die Katastrophe. Demnach sei es nicht ihre Aufgabe, den Tsunami zu beklagen oder den Störfall im Fukushima aufzuklären, schreibt Ryôsuke Saegusa im Vorwort (vgl. S. 12).
„Ich denke, dass sich die japanische Literatur seit dem 11. März […] nicht grundlegend verändert hat. Allerdings ist deutlich erkennbar geworden, dass sie versucht, eine Sprache zu finden, die Krisen erspürt und versucht, diesen zu entsprechen.“ (11)
Und so schreibt Ôe nicht über die aktuelle Lage, sondern erzählt, wie er als Kind eine Hochwasserkatastrophe erlebt hat. Ganz ohne Bezug ist diese Erzählung allerdings nicht, denn er assoziiert dieses Erlebnis mit dem Tsunami.
Deutlich drastischer reagiert Hiromi Kawakami, die ihre Geschichte Bärengott aus dem Jahr 1993 umschreibt: Aus einem friedlichen Picknick am Fluss wird ein Spaziergang durch eine kontaminierte Landschaft. Es scheint, als habe die Literatur hier Verträumtheit eingebüßt, als sei auch hier ein Leben nach dem 11. März vollkommen anders als alles zuvor.
Insgesamt ist jede Erzählung anders, mehr oder weniger konkret auf die Geschehnisse des 11. März bezogen. Die Neue Rundschau schafft so vor allem eines: Ein aktuelles Panorama japanischer Literatur. Und schon allein das sollte ja für jeden Japanliebhaber interessant genug sein.
Die Neue Rundschau enthält nicht nur japanische Erzählungen, sondern auch aktuelle deutsche Schriften in einem abgetrennten Teil. Die japanischen Erzählungen machen leider nur rund 170 der 270 Seiten Umfang aus.
Fazit
Eine aktuelle Sammlung mit Beiträgen wichtiger japanischer Schriftsteller - nicht nur, aber vor allem zu den Geschehnissen vom 11. März 2011.Verfasst am 23. August 2012 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 19. Juli 2019