Yoyogi-Park

Yoyogi-Park



Was passiert, wenn ein Autor, der ein Buch über die Entstehung des japanischen Hello-Kitty-Kults geschrieben hat, einen Krimi verfasst? Richtig, es wird ein Krimi mit viel japanischer Popkultur!

So viel bekannte Elemente japanischer Populärkultur gibt es sonst selten auf so engem Raum in einem Krimi: Maid Cafés und Modeshops, Gothic Lolitas und Hacker, angesagte Viertel Tokyos wie Akihabara – und dazu noch viel japanische Kultur: Kendo, Kirschblüten und schließlich auch noch die Yakuza, die bei kriminellen Machenschaften ihre Finger im Spiel hat.

Der Krimi beginnt eher unspektakulär und strapaziert ein Bild, das nicht nur die Japaner selbst gerne verwenden: Kirschblüten. Im Yoyogi-Park wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, die wie eine Gothic Lolita ausstaffiert ist. Das Ermittlungsteam – die aufstrebende Polizistin Yuka Sato und ihr leicht dicklicher Kollege mit Lolita-Fetisch Shun Nakashima – wirkt zunächst etwas unkoordiniert und chaotisch: Anstatt über die Leiche unterhalten sie sich am Tatort über Handyklingeltöne. Und obwohl die Spurensicherung noch nicht eingetroffen ist und nichts verrückt werden darf, tritt Nakashima so ganz nebenbei auf den Schuh der Toten. Auch Kommissarin Yuka Sato ist nicht unbedingt vorbildlich in allen Punkten: Sie benutzt ihren Dienstausweis schonmal gerne, um sich auf der Toilette vorzudrängeln.

Das irritiert zunächst gewaltig, denn Krimis (wie beispielsweise der zuletzt rezensierte Krimi Heilige Mörderin) sind normalerweise ernster und trockener. Andreas Neuenkirchen aber bringt viel Humor mit hinein und lässt sich die Protagonisten auf elegante Weise die Bälle zuspielen.

Aber gerade der Humor macht den am Anfang recht simpel erscheinenden Fall unterhaltsam. Schnell bekommt man als Leser den Eindruck, es handele sich um einen simplen Fall, doch der lapidarer Ton führt aufs Glatteis: Der Mordfall der jungen mit Gothic Lolita-Kleidung ausstaffierten jungen Frau hat viele – auch tote – Spuren und zieht noch einige weitere Todesfälle nach sich.

Yoyogi-Park ist Andreas Neuenkirchens Krimi-Debüt und steht am Anfang einer vierteiligen Japan-Krimi-Reihe, die sich an den vier Jahreszeiten orientiert. Dies entschuldigt das etwas abgegriffene Kirschblütenmotiv zu Beginn allemal, trotz seiner Komik, des interessanten Milieus und des verzweigten Mordfalls, hat Yoyogi-Park aber auch Schwächen: Das Kendo-Duell zwischen Yuka Sato und einem Yakuza-Boss wirkt etwas weit hergeholt. Es sorgt zwar für noch mehr Japan-Atmosphäre und führt die Yakuza, die wohl bei den weiteren Krimis noch in den Fokus rücken wird, ein, warum sich aber ein Yakuza-Boss mit Sato duellieren um ein paar Informationen, die er ihr von sich aus freiwillig geben würde, leuchtet nicht so recht ein. Schwach ist außerdem auch das Täterprofil und das Mordmotiv selbst.

Trotz dieser Kritikpunkte ist Yoyogi-Park ein unterhaltsamer Krimi, der Japanfans eine tolle Story liefert: Wo sonst sucht eine Kommissarin in einer In-Boutique in Harajuku nach eine Lolita Outfit oder lässt sich in einem Maid-Café bedienen? Neuenkirchens Krimi enthält zudem viele Verweise auf reale Orte in Tokyo oder Orte, die so ähnlich existieren könnten (siehe Blogserie auf japanliteratur.net) und ist damit auch gut Einstimmungslektüre auf einen Tokyobesuch.

Making of Yoyogi-Park

Autor Andreas Neuenkirchen war für seinen Krimi unterwegs in Tôkyô und hat die wichtigsten Schauplätze des Romans fotografiert. Das „Making Of“ könnt ihr hier nachlesen:

Fazit

Mit Witz und Humor, Lolitas, Kirschblüten und Yakuza. Neuenkirchens Krimi-Debüt ist der Krimi für Fans japanischer Pop-Kultur!

Verfasst am 27. April 2014 von
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 23. August 2019

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