Wie kann ein geistig behindertes Kind Selbstmord begehen? Und wie kann eine Mutter damit leben? Marie Kurakis Lebensgeschichte ist durchzogen von zu vielen Schicksalsschlägen – und trotzdem beweist sie Lebensmut.
Immer wieder verknüpfen sich bei Ôe Realität und Fiktion. Aus der Sicht des „K.“, der genau wie Ôe einen behinderten Sohn namens Hikari hat, wird die Geschichte von Marie Kuraki erzählt, die eine Freundin der Familie ist. Von Anfang an besteht also eine Distanz zwischen Erzähler und dem eigentlichen Erzählgegenstand – Maries schwerem Leben.
Marie hat zwei Jungen. Einer ist geistig behindert, der andere sitzt nach einem Unfall im Rollstuhl. Eines Tages verschwinden die Jungen und begehen an den Meeresklippen gemeinsam Selbstmord. Maries Beziehung zerbricht, sie findet keine Ruhe mehr und geht schließlich nach Mexiko.
Zwar kommt Marie auch in Briefen selbst zu Wort, den Hauptteil nehmen aber die Reflexionen und Erlebnisse von K. ein, wie etwa ein gemeinsamer Konzertbesuch mit seinem und Maries behindertem Sohn. Die entscheidenden Stellen, bei denen K. nicht anwesend ist, werden aber auch authentisch und eindringlich wiedergegeben: Der Tod der Jungen wird in einem Brief beschrieben, Maries Tod schließlich, indem ein Film nacherzählt wird. So schafft K. auch über große Distanz eine Verbindung.
Weil K. so viele Parallelen zu Ôe aufweist, wirkt der Roman wie auch spätere Aufzeichnungen (zum Beispiel Stille Tage) wie die private Dokumentation von Ôes Leben. Er erweckt durch seine scheinbar authentische, an der Realität orientierten Erzählweise den Eindruck, den Leser in seine persönlichen Gedanken, ja sogar in die Privatheit seiner Familie miteinzubeziehen.
Durch Marie Kurakis behinderte Söhne wird auch das Schicksal von Ôes eigenem Sohn variiert aufgegriffen. Aber kein anderer der Romane, in dem Hikari vorkommt, ist so traurig, so ernst und hoffnungslos wie Verwandte des Lebens. Schonungslos – aber auch frei von Ressentiments, werden Themen rund um die Behinderung diskutiert: Bekommt man ein behindertes Kind, weil man Schuld auf sich geladen hat? Welchen Stellenwert haben diese Kinder in unserer Gesellschaft? Und – würde es Gott geben – welche Rolle würde er dann für das Ganze spielen?
Fazit
Manchmal tut es weh, sich mit unangenehmen Dingen auseinanderzusetzen. Dafür gibt das Buch in seiner Ernsthaftigkeit und Traurigkeit auch Kraft schwere Situationen durchzuhalten.Verfasst am 10. August 2011 von Friederike Krempin
Tags: Behinderung, Kenzaburo Oe, Nobelpreisträger, Schuld, Selbstmord