In diesem Roman erzählt Yasushi Inoue eine Geschichte eines Jungen, die stark auf seiner eigenen Biografie beruht. Ähnlich wie bei Kenzaburo Ôe ist es die Geschichte eines Jungen, der in einer tief ländlichen Gegend im Gebirge aufwächst.
Zu Beginn sind die Familienverhältnisse recht kompliziert, werden aber auf den ersten Seiten schnell erläutert. Der Junge lebt, ähnlich wie damals Inoue, nicht bei seinen Eltern in der Stadt, sondern bei der Familie auf dem Land. Dort kümmert sich eine Nebenfrau seines Urgroßvaters, „Oma Onui“ um ihn. Der Junge stellt für die ungeliebte Nebenfrau eigentlich ein Faustpfand dafür dar, dass sie auf dem Grundstück der Familie leben kann. Der Junge aber liebt sie mehr als seine richtige Mutter, die er höchstens ein Mal im Jahr sieht.
Er wächst in einer einfachen und ärmlichen, aber doch recht dörflichen Idylle auf. Inoue beschreibt ganz einfache, alltägliche Szenen wie den Schulbesuch, ein Sportfest, eine Ausflug zur Tante in die Stadt oder die Erlebnisse der Kinder in der Natur. Er beschreibt sie mit so viel Akribie, schildert die Natureindrücke so intensiv, dass sogar das Baden im sommerlichen Fluss zu einem ganz besonderen Ereignis wird.
Gerade diese einfachen Szenen machen den Reiz des Buches aus, denn es schildert ein einfaches Leben, das heute so in Japan nicht mehr erfahrbar ist. Zugleich scheint die Phase, in der die Geschichte spielt, vergleichsweise ruhig. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vermutlich zwischen dem japanisch-russischen Krieg und dem Zweiten Weltkrieg, ist im Dorf nur wenig von den großen sozialen Problemen oder Aggressionen zu spüren.
Abgeschirmt von den großen Ereignissen der Zeit konzentriert sich Inoue auf die Lebensgeschichte eines Jungen in einem Dorf. Er begnügt sich aber keineswegs damit, einen vergangenen Status Quo zu schildern, sondern beschreibt auch die langsame Entwicklung des Jungen. Der Junge lernt mit der Zeit immer mehr dazu. Besonders sieht er sein eigenes Dorf, nachdem er zum ersten Mal in der Stadt war mit anderen Augen.
Leider bricht die Erzählung plötzlich ab. Die Entwicklung vom Jungen zum Jugendlichen wird hier nicht vollzogen, Shirobamba bleibt ein Buch voller – zumindest größtenteils – idyllischer Kindheitserinnerungen.
Shirobamba bietet ein ruhiges, entspannendes Leseerlebnis. Wegen seiner Naturbezogenheit wird es auch denjenigen gefallen, die die Erzählungen von Ôes Kindheit gerne gelesen haben – Shirobamba ist hier allerdings deutlich heller und freundlicher als die ernsten, kinderunfreundlich und oft auch bedrohlichen Szenen bei Ôe.
Fazit
Shirobamba schildert das einfache japanische Landleben um 1915 und bindet Inoues eigene Biografie mit ein.Verfasst am 28. September 2012 von Friederike Krempin