Tomura ist ein ruhiger, unauffälliger Junge, der aus einem kleinen Ort tief in den Bergwäldern von Hokkaido stammt. Er liebt den Wald und dessen Geräusche,eine richtige Leidenschaft für etwas Bestimmtes hat er aber nicht – bis er eines Tages auf einen Klavierstimmer trifft.
Eigentlich soll Tomura dem Mann nur zeigen, wo das Klavier steht, doch schließlich beobachtet er den Klavierstimmer bei der Arbeit und ist davon so fasziniert, dass er sich zum Klavierstimmer ausbilden lässt.
In einer Kleinstadt in der Nähe seines Dorfes findet er schließlich eine Anstellung. Doch ausgebildet zu sein bedeutet noch lange nicht, das Handwerk zu beherrschen.
„They say that if you put in ten thousand hours towards any goal, things will fall
into place.“ (Seite 179, englische Ausgabe, Doublesday 2019)
The Forest of Wool and Steel erzählt von Tomuras langem, schweren Weg, ein richtiger Klavierstimmer zu werden. Die fünf Oberkapitel, die An Introduction to Piano Tuning, Beginner‘s Level at Best, Not Quite Intermediate, Far from Advanced und A Master Class heißen, verraten zwar schon, dass Tomura sein Handwerk schließlich beherrschen wird. Auf dem Weg dahin gerät er allerdings of in ausweglose Situationen und zweifelt an sich selbst.
„Greatness = Perseverance + Resignation“ (Seite 197, englische Ausgabe, Doublesday 2019)
Tomura scheint weder ein Genie zu sein noch besonders talentiert. Auch fehlen ihm große Ambitionen, wie etwa in einer großen Stadt zu arbeiten oder Klaviere für herausragende Persönlichkeiten zu stimmen. Eigentlich hat er nur eine Motivation:
„Perhaps I was also trying to replicate the armosphere of the forest through the
medium of the piano.“ (Seite 88, englische Ausgabe, Doublesday 2019)
Vielleicht ist es genau diese Aspekt, der das Buch in Japan zum Bestseller hat werden lassen: Es spricht vielen aus der Seele, die auch ohne großes Genie einer Aufgabe nachgehen. Tomura zeigt, dass es nur Beharrlichkeit braucht, dass zugleich aber auch keine abnormen Spitzenleistungen notwendig sind und sich ein Erfolgsgefühl irgendwann einstellt. Er zeigt, dass auch ein durchschnittlich begabter, unauffälliger Junge von Land etwas schaffen kann, ohne sich dem Großstadtleben anzupassen. Dies ist ein weiterer wichtiger Aspekt in einer Zeit, in der immer mehr Menschen in die Stadt abwandern und die Zurückgebliebenen wie Verlierer wirken lassen.
Obwohl The Forest of Wool and Steel so viele positive Botschaften enthält, wird es trotzdem nicht jedem gefallen. Miyashita erzählt eine sehr ruhige Geschichte, vergleichbar etwa mit der Ruhe in den Romanen von Yoko Ogawa oder Banana Yoshimoto. Tomura scheint in dieser ruhigen Atmosphäre in einem nahezu luftleeren Raum zu leben. Sein ganzes Leben spielt sich nur innerhalb des Klavierladens ab und es geht ausschließlich um das Stimmen von Klavieren. Man muss hier schon ein Faible für Musik und Instrumente mitbringen, ansonsten wird man beim Lesen sicher öfter einfach weiterblättern. Wer sich also weder für Musik interessiert noch an ruhige Erzählweisen gewöhnt ist, für den wird Miyashitas Roman einfach nur langweilig sein.
Genau wie ihr Protagonist hielt sich die Autorin Natsu Miyashita übrigens zeitweise in einem kleinen Bergdorf in Hokkaido auf. Dieser Aufenthalt inspirierte sie nicht nur zu diesem Buch, sondern auch zu einer Art Tagebuch über ihren Aufenthalt dort, den Spielplatz der Götter.
Fazit
Eine ruhige Geschichte von Meisterschaft und dem Erlernen von Fähigkeiten, die objektiv nicht messbar sind. Für Leser ohne Interesse an Musik streckenweise sehr langatmig.Verfasst am 6. September 2019 von Friederike Krempin
Tags: Ausbildung, Klavier, Kleinstadt, Lernen, Meisterschaft, Musik, Natsu Miyashita, Ruhe