Japan galt lange als Wohlstandsland. Doch die Stimmung ist nach der Wirtschaftskrise der 90er, spätestens zu Beginn des neuen Jahrtausends, umgeschlagen: Eine Armuts- und Prekariatsdebatte ist entstanden, die sich auch in der Literatur niederschlägt.
Lisette Gebhardt, Japanologin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, hat die japanische „Prekariatsliteratur“ in diesem Buch untersucht. Sie ist damit die erste, denn auch in Japan fehlt es bisher noch an einer Gesamtuntersuchung dieses Literaturzweiges.
Das Buch ist von einer Japanologin, also einer Wissenschaftlerin verfasst und trägt deshalb auch klar wissenschaftliche Züge: eine wissenschaftliche Gliederung, eine sachliche Darstellung, Erklärung und Begründung der Arbeitsschritte, Belege durch Fußnoten.
Dass sollte aber auch Hobbyleser nicht abschrecken, denn Gebhardts Sätze sind keine verschachtelten Bandwurmsätze, ihr Stil ist sachlich, Fachbegriffe werden im Text direkt oder im Glossar erklärt und das Buch insgesamt setzt kein japanologisches Vorwissen voraus – nur Interesse für die japanische Prekariatsliteratur.
Japanische Prekariatsliteratur – unter diesem Schlagwort kann man sich nur wenig vorstellen, die Bücher dieser Literatur sind aber in Deutschland schon bekannt: Natsuo Kirino und Ryu Murakami zum Beispiel wurden schon übersetzt. Gebhardt stellt diese und noch sechs weitere Autoren in jeweils eigenen Aufsätzen vor und analysiert ihr Werk.
Die Vorstellung der Autoren macht aber nur knapp ein Drittel des Buches aus. Ehe sie auf die Autoren eingeht, erläutert Gebhardt zunächst den Stand der Prekariatsliteratur: die Bewertung der aktuellen Situation in Japan, den Prekariatsbegriff (der übrigens um das Jahr 2006 in Japan in der Debatte auftaucht). Im Anschluss an die Autorenvorstellungen werden außerdem noch Motive der Prekariatsliteratur (unter anderem das Waisenmotiv und Japanhass) erläutert.
Prekariatsliteratur ist kein rein japanisches Phänomen. Deshalb vergleicht Gebhardt zum Schluss die japanische Prekariatsliteratur und ordnet sie als globales Phänomen ein. Eine schöne Abrundung, denn so wird schließlich noch ein Bezug zu Lesern außerhalb Japans hergestellt.
Inhalt (ohne Unterkapitel)
- 1. Wie Japan das Prekariat entdeckt
- 2. Eine Dekade Prekariatstexte
- 3. Arm, arbeitslos und asozial: Ein Szenario und seine Argumentation
- 4. Die Legende der Billigarbeiter oder die dunkle Seite der Glückssuche
- Glossar: Abstiegsgesellschaft bis Yellow Trash
- Technische Daten zur japanischen Abstiegsgesellschaft
- Namesregister
- Begriffsindex: Von Abhängigkeit bis Zynismus
- Bibliographie
Fazit
Dieses Buch untersucht und stellt erstmals die japanische Prekariatsliteratur vor, die im Deutschen durch Ryu Murakami und Natsuo Kirino bekannt wurde.Verfasst am 29. September 2010 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 23. August 2019