Ichiyô Higuchi, die oft als erste Schriftstellerin der japanischen Moderne bezeichnet wird, war nur eine kurze Schaffenszeit vergönnt, bevor sie im Alter von 24 Jahren an Tuberkulose starb. Sie verfasste vor allem Erzählungen, von denen nun sieben in einem Sammelband bei Manesse veröffentlicht wurden.
Alle sieben Erzählungen spielen im Tokyo Ende des 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt stehen Frauen – in zwei Geschichten auch Männer – die sich verlieben, abgewiesen werden oder den Geliebten abweisen. Auch wenn sich die Erzählungen in Ort, Handlung und Charakteren unterscheiden, haben sie doch immer gemeinsam, dass ihre Liebesbeziehungen unglücklich ausgehen.
In der Erzählung Kirschblüten in der Finsternis beispielsweise verliebt sich Chiyo in einen Mann, der sie aber nur als eine kleine Schwester ansieht. Chiyo trauert so sehr um ihre unerfüllte Liebe, dass sie schließlich vor Kummer stirbt.
Chiyos Tod aus Trauer wird auf etwa die Handlung der jungen Cho in der Erzählung Meister Bitter, die sich für ihren Geliebten, der sich als Krimineller entpuppt, aus Liebe tötet, wirken für uns heute überzogen und melodramatisch. Higuchi aber bedient sich nicht der Melodramatik, sondern zeichnet mit ihrn Geschichten ein Protrait der japanischen Denkweise zu dieser Zeit.
Insgesamt spiegeln ihre Geschichten das traditionelle Leben in Japan wieder, auch wenn sich die Erzählungen meist nur auf einen engen Personenkreis beschränken, in dem es um nicht wahrgenommene Liebeschancen, den Freitod eines Geliebten oder die eigene Aufopferung für den Geliebten geht.
Eine Ausnahme bildet hier Solange sie ein Kind war, die längste Erzählung, in der es zwar auch um eine unglückliche Liebe geht, die daneben aber das Leben im Vergnügungsviertel Yoshiwara mit seinen Bewohnern, Tee- und Kurtisanenhäusern sehr lebendig beschreibt.
Inhalt
Kirschblüten in der Finsternis (闇桜, 1892), Mond überm Dachfirst‘ (軒もる月, 1895), Solange sie noch ein Kind war (たけくらべ, 1895/6), Eine leere Zikadenhülle (うつせみ, 1895), Am Scheideweg (わかれ道, 1896), Meister Bitter (うもれ木, 1892), Ein Schneetag (È雪の日, 1896)
Fazit
Higuchis tragische Liebesgeschichten beschreiben die Lebens- und Denkweise junger japanischer Frauen um 1900.Verfasst am 1. März 2010 von Friederike Krempin
Tags: Armut, Frauen in Japan, Ichiyo Higuchi, soziale Ungleichheit, Winter, Zwischen Tradition und Moderne