In einer deutschen Nervenheilanstalt auf dem Land, weit weg vom Kriegsgeschehen, sitzt ein Japaner ein. Er ist daran zerbrochen, dass seine jüdische Frau von den Nazis verschleppt wurde. Wird er nicht wieder gesund, droht ihm ein ähnliches Schicksal: Die von den Nazis verordnete Euthanasie.
Eigentlich ist Takashima als Arzt zum Studium nach Deutschland gekommen. Doch mit Kriegsbeginn sitzen er und einige Landsleute fest. Für Takashima ist es nun zu spät, sich und seine jüdische Frau nach Japan zu retten. Er erträgt die Verhältnisse nicht und verfällt in eine Schizophrenie. Damit wird es für ihn zusehends schwieriger, Wahn und Wirklichkeit auseinanderz zu halten:
„Aber wo ist die Grenze? Ist das, was die Nazis über die Juden denken, etwa keine Wahnvorstellung?“ (55)
Sein Freund Sato, der einzige Japaner, zu dem er noch Kontakt hat, antwortet ihm darauf:
„Eine Wahnvorstellung ist, hartnäckig an etwas zu glauben, das objektiv falsch ist. Aber niemand ist im Leben immer objektiv. […] Deshalb werden wir erst viel später wissen, ob die Überzeugungen der Nazis Wahnvorstellungen sind oder nicht.“ (55)
Man kann es erahnen: Die Geschichte ist nicht nur extrem düster und deprimierend, sondern auch hoffnungslos. Je mehr sich Takashima in seinen Wahn steigert, desto mehr rückt die Erzählperspektive von ihm ab und schwenkt zu den Ärzten in der Psychiatrie, deren größte Sorge die Euthanasie-Politik der Nazis ist. Zwar sind einige Ärzte überzeugte Nazis, unheilbar kranke Patienten in die Gaskammern zu schicken fällt aber auch ihnen schwer. Und so beginnt ein Arzt aus Verzweiflung mit unethischen Experimenten an den Patienten: Wenn sie sowieso sterben müssen, warum dann nicht gefährliche Methoden ausprobieren, um sie doch noch zu heilen?
Spannend ist Takashimas Perspektive auf Deutschland als Außenstehender: Als Japaner ist er Kriegsverbündeter der Deutschen, als Arzt wird er in der Klinik von den betreuenden Ärzten bevorzugt behandelt. Als Japaner erlebt er zudem den langsamen Zusammenbruch der deutschen, aber auch der italienischen und japanischen Verteidigung. Morio Kita, der selbst als Psychiater gearbeitet hat, beschreibt zudem die Klinik, die Diagnosen durch die Ärzte und die Behandlung der Patienten mit einer Genauigkeit, die eine große Authentizität der damaligen Behandlungspraxis vermittelt.
Fazit
Ein Japaner in einer deutschen Nervenheilanstalt während des Zweiten Weltkrieges. Ein einmaliges und zugleich verstörendes Thema.Verfasst am 30. September 2013 von Friederike Krempin
Tags: Deutsche und Japaner, Interkulturelle Begegnung, Japaner im Ausland, Japaner in Deutschland, Krankheit, Zweiter Weltkrieg