Nur zwei Stunden von Tokyo entfernt und trotzdem gefühlt sehr weit weg, liegt Fukiage, ein durchaus „seltsamer“ Ort.
ie Zwillingsschwestern Mimi und Kodachi sind an diesem Ort aufgewachsen. Als bei einem Verkehrsunfall ihr Vater ums Leben kommt und ihre Mutter durch den erlittenen Schock ins Koma fällt, ziehen die beiden nach Tokyo, um die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Doch ihre Mutter liegt in keinem gewöhnlichen Koma, sondern leidet an einer Schlafkrankheit, die in Fukiage gehäuft vorkommt. Als Kodachi nach Fukiage zurückkehrt und beginnt, zu recherchieren, was es mit dieser Krankheit auf sich hat, verschwindet sie spurlos.
Auch Mimi kehrt nun zurück und macht sich auf die Suche nach ihrer Schwester. Dabei begegnet sie einer Wahrsagerin, die selbst im Koma liegt und nur über ihre Schwester kommuniziert, einem namenlosen „Grabwächter“ sowie einem Hundemenschen, der den Ort bewacht, der ursprünglich die Ursache für die mysteriöse Schlafkrankheit ist.
Banana Yoshimotos Romane sind Seelenwärmer. Oft sind sie eskapistisch, mit einem Hauch von Magie, aber zugleich auch realistisch genug, um noch als „wahre“ Begebenheit durchgehen zu können. Ein seltsamer Ort jedoch ist mit seinem Setting weit ab davon und geht deutlich in Richtung Science Fiction. Yoshimoto hat sich bewusst zu diesem Schritt entschieden:
„Inzwischen aber meine ich, dass es in einem Zeitalter wie diesem nur noch mit einer solchen Fantasiewelt und Utopie möglich ist, die Seelen der Menschen zu stärken.“ (Nachwort zu Banana Yoshimoto, Ein seltsamer Ort, E-Book-Ausgabe)
Trotzdem dieser Neuerung enthält der Roman aber auch viele Elemente, die wir von Yoshimoto kennen. Ein Schicksalsschlag und damit umzugehen sind wieder das Hauptthema. Die Botschaft des Romans dazu ist: Leben heißt nicht Stillstand, sondern bedeutet immer auch Veränderungen – und nur wer bereit ist, diesen Weg zu gehen, kann auch sein Glück finden. Während diese Phase der Veränderung schmerzlich ist, ist sie auch eine Phase der Ruhe:
„Warten, als ob man gar nicht warten würde. So tun, als hätte man alles vergessen, und sich dabei an den Dingen erfreuen, die man vor Augen hat.“ (Zitat aus: Banana Yoshimoto, Ein seltsamer Ort, E-Book-Ausgabe)
Und so plätschert auch die Handlung wie gewohnt ruhig vor sich hin. Fast schon wirkt der Roman handlungsarm, was nicht jedem gefallen könnte. Dafür bietet Yoshimoto dieses Mal ein Happy End an: Dieses Mal gibt es eine zweite Chance, eine Chance auf Heilung. Obwohl der Roman so ruhig scheint, kommt das Ende schließlich doch fast etwas zu plötzlich und scheint die Auflösung doch etwas zu einfach.
Ursprünglich erschien der Roman in Japan bereits 2017, ist momentan aber der aktuellste deutschsprachige Titel. Im Nachwort kündigt die Autorin ihren Ruhestand an, da aber seitdem noch zwei weitere Titel in Japan erschienen sind, die ebenfalls in Fukiage spielen und mit diesem Roman gemeinsam eine Trilogie zu bilden scheinen (2019: 吹上奇譚 第一話 ミミとこだち, 2020: 吹上奇譚 第三話 ざしきわらし), hoffe ich, dass es noch weitere Übersetzungen ins Deutsche geben wird.
Fazit
Vielleicht nicht unbedingt Yoshimotos stärkster, aber ein ungewöhnlicher Roman mit einer ganz besonderen Atmosphäre.Verfasst am 20. Juni 2023 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 28. September 2024