Der kluge Regenbaum

Der kluge Regenbaum



Unter dem Titel der der kluge Regenbaum sind in diesem Band vier Erzählungen Ôes aus verschiedenen Jahren und zu verschiedenen Themen zusammengefasst. Sie bieten einen Querschnitt durch die Erzählwelt des japanischen Nobelpreisträgers, die nicht immer angenehm ist.

Zunächst eher unscheinbar, hat es die Titelgeschichte doch in sich. Scheint es anfangs eher um die Nacherzählung einer belanglosen Party, kombiniert mit Diskussionen über intellektuelle Themen zu gehen, verkehrt sich bald die Stimmung, als die Gäste eine Frau entdecken, die sich mit Blut beschmiert. So viel kann hier dazu schon verraten werden: Um eine Spukgeschichte handelt es sich keineswegs.

Agui, das Himmelungeheuer ist eine Alternativgeschichte zum Roman eine persönliche Erfahrung, den Ôe als Reaktion auf die Geburt seines behinderten Sohnes verfasste. Während dieser Sohn im Roman überlebt, wird er in der Erzählung vom Vater ermordet. Besonderen Reiz hat diese Geschichte deshalb vor allem für Leser, die den Roman schon kenne.

Besonders beeindruckend ist die längste Erzählung der Sündenbock, in der verschiedene Motive aus Ôes Werk miteinander verschmelzen: Das Motiv eines abgegrenzten, armen Dorfes und eines darin lebenden Jugendlichen, der ein Außenseiter in der Dorfgemeinschaft ist, wird kombiniert mit dem Schauplatz Mexiko, wo Ôe sich 1976 selbst aufhielt1 und das in Verwandte des Lebens noch einmal einen wichtige Rolle spielen wird.

Ôes Erzählungen sind anspruchsvolle, aber nicht im Wortsinn „schöne“ Literatur. Immer wieder verkehrt sich die Situation in eine bedrohliche Lage wie in der kluge Regenbaum, sind Menschen Außenseiter oder auf der Flucht wie in der Sündenbock. Auch unschöne Dinge beschreibt Ôe mit einem Realismus, der nichts verstecken will, aber auch nicht aufbauschen.

Es ist oft vom „Murakami-Universum“ die Rede, dabei passt die Vorstellung eines „Erzähluniversums“ noch viel besser auf Ôe. Der Erzählband bietet zwar einen Einblick in Ôes Erzählvielfalt, seinen besonderen Reiz bekommt er aber durch die Bezüge, die intertextuell hergestellt werden. Wer diese entschlüsseln will, muss sich in sein Werk einarbeiten.

Inhalt

[1] Quelle

Fazit

Die Erzählungen ziehen ihre Kraft aus einer gewissen Verstörung, die zunächst nur unterbewusst mitschwingt, sich dann aber plötzlich und erschreckend Bahn bricht.

Verfasst am 7. August 2011 von
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 10. August 2019

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