So einfach und konkret der Titel dieses Buches, so verwirrend und schwer greifbar ist der Inhalt. Das Bad ist eine Reise in eine Welt zwischen Traum und Realität.
Der Text hat eine ganz eigenartige Wirkung: Die Geschichte ist leicht zu lesen und irgendwie verständlich. Wort für Wort verstehe ich, vor allem dank der kraftvollen Bilder Tawadas. Doch will ich die Sätze zusammenfügen, gelingt es mir nicht richtig. Was ist die eigentlich Handlung, was ist Traum, was ist Realität? Hier deshalb nur eine kleine Annäherung:
Eine junge Erzählerin, die als Dolmetscherin arbeitet, bricht bei ihrer Arbeit zusammen. Auf der Toilette eines Hotels begegnet sie einer Frau, die sich zu sich mit nach Hause kommt. Später erfährt die Erzählerin, dass diese Frau längst gestorben ist. Und noch etwas: Die gestorbene Frau ist sie selbst.
Das Ich, das am Anfang noch greifbar und deutlich war, verschwimmt zusehends. Erst verliert es die Fähigkeit zu sprechen, dann zu lesen, schließlich sogar die Augen. Am Ende steht die vollkommene Auflösung:
„Erst recht bin ich kein Fotomodell, denn ich bin auf den Fotos gar nicht zu sehen. Ich bin ein transparenter Sarg.“ (185)
Trotz seiner Vielschichtigkeit und vielen verborgenen Deutungsebenen liest sich der Text erstaunlich leicht. So leicht, dass man Gefahr läuft, die vielen sprachlichen Feinheiten Tawadas zu überlesen.
Die neue Auflage von 2012 ist zweisprachig und damit absolut lohnenswert für alle, die japanische Literatur im Original lesen wollen, aber eine Lesehilfe benötigen.
Fazit
Für Ästheten und Liebhaber anspruchsvoller, vielschichtiger Literatur.Verfasst am 3. Juli 2012 von Friederike Krempin
Tags: Ich-Verlust, Surreales, Transformation, Yoko Tawada