Wie kam Beethovens 9. Sinfonie nach Japan? Federica de Cesco erzählt ein Stück deutsch-japanische Geschichte, das bisher noch unbekannt sein dürfte.
Die 9. Sinfonie Beethovens ist in Japan sehr beliebt. Orchester in ganz Japan spielen sie und der Chor singt den Text sogar auf Deutsch. Dass für die Bekanntheit der Sinfonie aber der Erste Weltkrieg verantwortlich ist, das wissen nur wenige. Denn fernab der Schützengräben in Europa wurden deutsche Soldaten auch nach China gesandt um dort Tsingtau zu verteidigen. Die Japaner besiegten die Deutschen, nahmen sie als Kriegsgefangene und es kam zum Unglaublichen: In ihrem Lager auf dem japanischen Festland gründeten die deutschen Kriegsgefangenen ein Orchester und führten klassische Musik vor den Japanern auf.
Auf Grundlage dieser Geschehnisse hat Federico di Cesco einen Roman geschrieben. Dass es im Die neunte Sonne aber tatsächlich um diese historischen Ereignisse geht, wird nicht sofort deutlich – zumal der Verlag im Beschreibungstext „Zwischen Würde und Gewalt – eine deutsche Geschichte“ titelt.
Die Geschichte setzt ein, als der Protagonist Alexander von Gersdorff schon 98 Jahre alt ist. Er wohnt allein in Japan – seine japanische Ehefrau scheint schon vor einiger Zeit gestorben zu sein – und redet mit den Toten. Im Zwiegespräch mit ihnen beschließt er, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben. Diese Lebensgeschichte ist zunächst wenig sympathisch: Als Stammhalter einer adeligen, aber strengen Familie stürzt er ein junges Dienstmädchen ins Unglück, schlägt deinen Onkel krankenhausreif und flüchtet an die Front. Doch statt nach Russland gelangt er nach China und von dort als Kriegsgefangener nach Japan – die eigentliche Geschichte beginnt nun endlich. Denn Alexander hat im Krieg so schlimme Dinge erlebt, dass er im Gefangenenlager zum Außenseiter wird und Alkoholprobleme bekommt. Schließlich aber schaffen es japanische Literatur und Beethovens 9. Sinfonie, ihn wieder auf den richtigen Weg zu bringen.
Genau dieser Verlauf wirkt besonders am Ende etwas gekünstelt. All die Probleme die der – durch seine Borniertheit wirklich unsympathische – Alexander zuvor hatte, lösen sich durch Literatur und Musik auf. Vergessen ist seine Brutalität, die immer wieder aus ihm herausbricht, geheilt ist sein Kriegstrauma. Und mit diesen Problemen scheint er auch der Einzige im Lager zu sein, sonst könnte sich der Lagerleiter persönlich – übrigens ein Nachfahre eines Samurai – nicht so intensiv um diesen störrischen jungen Mann, der ständig Fluchtversuche unternimmt, kümmern.
Insgesamt fehlt es Alexander an Selbstreflexion. Die Menschen in seinem Umfeld angreifen, das kann er wunderbar, aber sich selbst nimmt er nicht wahr. Und gerade weil er als Charakter damit sehr oberflächlich bleibt, können es schließlich auch nicht tiefgreifende, geistige Prozesse sein, die ihn von seiner Last befreien. Was bleibt der Autorin da anderes übrig, als ein von außen herbeigeführtes Ereignis wie das Aufführen der Sinfonie von Beethoven zu verwenden, um Alexander zu läutern? Nur leider hinterlässt diese Lösung nach dem Lesen wenig Eindruck, Emotion oder bewirkt irgendeine Erkenntnis.
Leider fehlt es Der neunten Sonne etwas an Tiefgang, aber wie so oft bei solchen historischen Romanen ist auch dieses Buch wunderbar flüssig und spannend zu lesen. Ein weiterer Pluspunkt für diesen Roman ist der bisher noch kaum behandelte historische Stoff.
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Fazit
Dieser Roman behandelt einen bisher eher noch unbekannten Aspekt deutsch-japanischer Geschichte.Verfasst am 18. Oktober 2015 von Friederike Krempin
Tags: Deutsche und Japaner