Normalerweise liebe ich Hiromi Kawakamis Romane für ihre Schlichtheit, für ihre Einfachheit und ihre sanfte, verzauberte Stimmung. In Bis nächstes Jahr im Frühling allerdings bleibt nichts von dieser Stimmung übrig. Die Stimmung wirkt vielmehr kalt und spröde.
Dass Kawakamis Figuren einsam sind und Beziehungsprobleme haben, ist nichts Neues. In Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß und Herr Nakano und die Frauen erzählt Kawakami von einsamen Frauen, die Schwierigkeiten haben, sich zu öffnen. Am Meer ist es wärmer dagegen beschreibt den Umgang mit einem unwiederbringlichen Verlust. Bis nächstes Jahr im Frühling liegt zwischen beiden Romantypen: Noyuri ist verheiratet, steckt nach einer Affäre ihres Mannes aber in einer tiefen Beziehungskrise.
Den ganzen Roman über schwankt sie zwischen der Entscheidung, sich zu trennen oder mit ihrem Mann zusammenzubleiben. Über ihrer Beziehung lasten unausgesprochene Worte. Im Grunde ist der ganze Roman voll von unausgesprochenen Dingen. Auch wenn scheinbar etwas passiert, die Protagonisten reden doch kaum. Ihre Gespräche brechen immer dann ab, wenn sie eigentlich erst in Gang kommen. Auch die Erzählung ist entsprechend gerafft: Der gesamte Roman mit seinen rund 220 Seiten komprimiert einen Zeitraum von 2 Jahren.
„Er ist wirklich ein ganz normaler erwachsener Mann, dachte Noyuri. In Kôbe war es abends heißt. Noyuri blickte auf Takuyas Rücken, während er eincheckte.“ (143)
Nicht nur die Sprachlosigkeit, auch diese knappe Erzählweise lässt den Roman zusammen mit der unentschlossenen Stimmung ein wenig kalt wirken. Auch wenn das Mittel von Kawakami selbst gezielt eingesetzt ist, der Roman lässt den Leser am Ende unzufrieden zurück, denn eine direkte Entscheidung bleibt aus.
Hinzu kommt eine Ausweglosigkeit, die frustriert und hilflos macht: Noyuris Problem scheint ganz alltäglich, denn selbst ihr Onkel als ihr engster Vertrauter hat neben seiner Ehefrau noch eine Affäre, die er vor Noyuri keineswegs verschweigt. Eine Affäre, so scheint es, ist für die Männer ganz normal.
Aber Kawakami gibt keineswegs allein den Männern die Schuld: Durch ihre Unentschlossenheit fügt sich Noyuri in ihre Opferrolle. Sie schweigt, obwohl es ihr möglich wäre, die Sache zu beenden. Sie verweigert eine Scheidung, zieht aber trotzdem von zu Hause aus. Und so bleibt die Ehe schließlich für beide ein Gefängnis.
Fazit
Kawakamis neuester Roman ist ungewohnt kalt, das Thema ernster, der Zauber fehlt.Verfasst am 29. Juni 2013 von Friederike Krempin
Tags: Affäre, Anrührend, Hiromi Kawakami, Scheidung, Trennung