Yohaku (余白), der Papierrand oder auch Weißraum ist immer unbedruckt – leer. Um diese Leere, die entsteht, als die Protagonistin von ihrem Mann verlassen wird, kreist Ogawas wohl ruhigster Roman.
Mit nur drei Figuren kommt die Handlung aus: Der Protagonistin, die nach der Trennung von ihrem Mann ein Ohrenleiden bekommt, ihrem dreizehnjährigen Neffen Hiro und dem Stenografen Y. Die Figuren bleiben bis auf Hiro namentlich anonym, werden aber auch äußerlich kaum beschrieben, was die Eindruck von Leere noch verstärkt.
Leere bedeutet aber keineswegs im negativen Sinn, dass der Roman inhaltsleer ist. Die Geschichte verläuft nur auffällig ruhig, ohne große Spannung und Handlungsumschwünge. Im Mittelpunkt steht lediglich ein Ohrenleiden und die Genesung davon.
Die Protagonistin bleibt anonym und tritt fast so hinter ihre Ohren zurück, dass nach dem Lesen vor allem die Erinnerung an ihre Ohren bleibt. Wie wichtig Ohren werden können, hat Murakami ebenfalls in seinen Romanen Tanz mit dem Schafsmann und 1Q84 gezeigt. Während er aber vor allem die äußerliche Faszination für bestimmte Ohrenformen beschreibt, geht Ogawa viel tiefer, bis ins Innenleben der Ohren und zeigt, wie ein gestörtes inneres Gleichgewicht dieses Sinnesorgan beeinträchtigen kann.
Natürlich kann in der etwas entrückten, einsamen Welt in der die Protagonistin lebt ein Ohrenleiden nicht allein mit Medizin geheilt werden. Entscheidend für sie wird der Kontakt mit einem Stenografen, der für sie eine besondere Rolle spielt, da er Worte nicht nur mit dem Ohr aufnimmt, sondern auch in einer Kurzschrift festhält.
Ogawas Roman erinnert sehr stark an Yoshimotos Erzählungen von Krankheit und Verlust, aber auch der langsamen Heilung davon. Genau wie bei Yoshimotos Charakteren ist es auch der Protagonistin in Liebe am Papierrand möglich, in ihrer kleinen eigenen Welt weiterzuleben und sich für ihre Heilung so viel Zeit zu lassen wie sie braucht. Sie hat keine finanziellen Nöte, da ihr ehemaliger Mann sie unterstützt, braucht sich keine Gedanken um eine Arbeit machen, hat dafür aber auch kaum Kontakt zur Außenwelt.
Ogawas ruhige Erzählweise und die sanften Worte drängen sich nicht auf, sondern laden zum Erkunden und Verweilen ein, sofern man sich mit einer spannungslosen Handlung anfreunden kann.
Fazit
Ein sehr ruhiger Roman, dessen Erzählweise man mögen muss, aber eine absolute Empfehlung für Fans von Yoshimoto und Murakami.Verfasst am 25. Juli 2011 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 24. August 2024