And then kann man als zweiten Teil einer lose zusammenhängenden Trilogie begreifen. Nachdem Natsume in Sanshirôs Wege das Leben eines Studenten in Tokyo schildert, erzählt er in And Then von einem Mann, der nach seinem Studium nicht weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll.
Daisuke hat zwar keine finanziellen Probleme, denn obwohl er schon 30 Jahre alt ist, unterstützt sein Vater ihn weiterhin mit Unterhalt. Was er aber mit seiner Zeit anfangen soll, weiß er nicht so richtig. Zwar widmet er sich dem Literaturstudium, ist aber auch viel mit sich selbst beschäftigt und entwickelt hypochondrische Züge.
Anfangs liest sich der Roman scheinbar schwierig, genauso langweilig wie Daisukes Leben. Die Handlung scheint nur aus Geplänkel zu bestehen, Daisuke trifft Freunde und Familie und plaudert mit ihnen. Ganz unauffällig wendet sich aber das Blatt und bald merkt man, dass sich die Konflikte zuspitzen und in den unscheinbaren Dialogen wichtige Themen jener Zeit verhandelt werden. Eines davon ist, wie auch im Werk von Natsume insgesamt, die Lage der japanischen Gesellschaft und die Einwirkungen der westlichen Kultur auf diese.
Daisuke scheint förmlich eine Modellperson dieser neuen Gesellschaft zu sein: Er lebt allein und denkt nicht an eine Heirat seinem Vater zuliebe. Wenn, dann will er aus Liebe heiraten. Daisuke isoliert sich und leistet mit seinem müßigen Leben keinen Beitrag zur Gesellschaft, wie es ihm sein Bruder vorwirft. Er ist insofern die Modellperson eines Individualisten, wobei auch Daisuke dem Individualismus nicht gerade positiv gegenübersteht:
Neben diesem Themenkomplex geht es aber auch um Daisukes Lebensplanung. Während sein Vater ihn verheiraten möchte, hängt Daisuke seiner Jugendliebe nach, die mit seinem Freund Hiraoka verheiratet ist. Es ist nun an Daisuke, sich zu entscheiden, ihr seine Liebe zu gestehen und damit mit seinem Vater zu brechen oder sich in die Wünsche seiner Familie einzufügen. Die anfangs so ruhige, harmlose Geschichte steigert sich zunehmend und endet schließlich in einer spätsommerlich-schweren, bedrohlichen Szene. Inwiefern Daisuke seine Probleme lösen kann, bleibt offen.
And then macht es dem Leser am Anfang nicht gerade leicht, aber der Roman hat das, was große Literatur ausmacht: Neben der eigentlichen Handlung enthält der Text eine Tiefe und Vielschichtigkeit, bietet auch beim mehrmaligen Lesen die Gelegenheit zu überraschenden Entdeckungen. Wer schon Sanshiros Wege gelesen hat, sollte sich also auch unbedingt an die Fortsetzung heranwagen, auch wenn es diese bisher nur in englischer Übersetzung gibt.
Fazit
Natsume beobachtet Problematiken der damaligen japanischen Gesellschaft messerscharf und diskutiert sie mit Hilfe seiner Romanfiguren - auch für ein breites Publikum verständlich.Verfasst am 8. Juni 2012 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 23. August 2019