Zum Ende des Krieges hin wird eine Gruppe straftätiger Jugendlicher zum Schutz vor Bombenangriffen auf das Land evakuiert. Die Landbevölkerung begegnet den Jungen, die in ihren Augen nicht mehr Respekt als Tiere verdienen, ablehnend und grausam.
Die Jungen werden in einem Dorf tief in den Wäldern von den Dorfbewohnern aufgenommen. Nachts werden sie in einer Scheune eingeschlossen, tagsüber müssen sie für die Dorfbewohner arbeiten. Als plötzlich immer mehr Tiere verenden und eine Frau im Dorf stirbt, geht die Angst vor einer Seuche um. Die Dorfbewohner verlassen fluchtartig das Dorf, verbarrikadieren die Zufahrtswege und lasen die Jungen, von denen sie vermuten, dass sie sich auch mit der Seuche angesteckt haben, allein im Dorf zurück.
Nachdem die Jungen sich zunächst allein und verlassen fühlen, schlägt dieses Gefühl doch bald in ein Freiheitsgefühl um, wie sie es lange nicht erlebt haben. Unter den Jungen entwickelt sich ein Gemeinschaftsgefühl, sie beziehen die Häuser im Dorf und jagen im Wald nach Essbarem.
Im Dorf, in dem nun Anarchie herrscht, erleben die Jungen für eine kurze Zeit glückliche Momente. Doch schon bald werden sie wieder in die Realität zurückgeholt, als die Seuche tatsächlich ausbricht.
Es ist ein erschreckendes Bild, das Kenzaburo Oe hier von der Gesellschaft zeichnet. Es ist eine Gesellschaft, die vom Wahnsinn des Krieges und vom Überlebenskampf beherrscht ist: alle, die sich nicht einordnen, also „Feinde“ wie die Jungen, werden ausgeschlossen. Die Dorfbewohner haben keinen Respekt vor den Jungen, behandeln sie wie Tiere und betonen immer wieder, dass sie die Jungen ebensogut töten könnten.
Die Jungen selbst sind verroht und geben die grausame Behandlung ihrer Umwelt unter sich weiter. Sie töten Tiere zum Spaß und sind in ihrem Verhalten durch und durch sexualisiert. Eigentlich sind sie Kinder, die Hilfe benötigen, doch von den Erwachsenen können sie weder erwarten, vor der Seuche gerettet zu werden, noch wieder in die Gesellschaft eingegliedert zu werden. So sind sie hilflos dazu bestimmt, das zu bleiben, was sie momentan sind: Lebewesen, nicht mehr wert als Hunde.
Insgesamt ist die Athmosphäre des Buches sehr düster. Die Sprache ist schonungslos realitätsnah, beschreibt den Tod von Menschen, Tieren und das Aussehen von menschlichen und tierischen Leichen, zum Beispiel wie aus ihren Bäuchen in Gedärme herausquillen.
Der Roman ist schwer zu lesen: nicht, weil er schwer verständlich ist, sondern weil man – von den schockierenden und aufwühlenden Ereignissen bedrückt – zwischendurch Pausen einlegen muss, um der düsteren Athmosphäre zu entkommen.
Reißt die Knospen ab ist ein Roman, der zum Nachdenken über das Miteinander in der Gesellschaft und den Wert des einzelnen Menschen anregt. Oe verarbeitet hier den Zweiten Weltkrieg und den damaligen Zustand der japanischen Bevölkerung. Interessant ist es also für alle, die sich für Japan nach und während dem Zweiten Weltkrieg und der Bewältigung dieses Krieges durch japanische Autoren interessieren.
Fazit
Wer von Kenzaburo Oe bisher noch nichts gelesen hat, kann gut mit diesem Roman anfangen, der zu Ôes Frühwerk zählt.Verfasst am 26. März 2010 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 22. August 2019