Mit der Veröffentlichung der Essays Jun`ichiro Tanizakis aus den 30er Jahren legt Manesse im wahrsten Sinne des Wortes kleine Lesehäppchen vor. In kompakten, schön aufgemachten Bändchen werden die Gedanken dieses bedeutenden Schriftstellers präsentiert, der die Besonderheiten der japanischen Kultur im Vergleich zum Westen reflektiert.
Im dritten Band der Reihe geht es nun – nach Gedanken zu kulturellen Unterschieden, Denken und Kunst – um Liebe, Sexualität und Sinnlichkeit. Ein Liebesratgeber ist Tanizakis Essay aber keinesfalls. Ganz der Schriftsteller, setzt er sich auch in diesem Essay zunächst mit Erscheinungsformen der Liebe in der Literatur selbst auseinander. Er stellt dabei die These auf, dass westliche Literatur nicht ohne das Thema Liebe auskommt, östliche dagegen schon.
Tanizaki geht dabei zum Beispiel auf die Liebesliteratur in der Heian-Zeit und das Männer- und Frauenbild dieser Zeit ein und kontrastiert es mit der Tokugawa-Herrschaft und der Gegenwart. Auch Klassiker wie die Geschichte des Prinzen Genji, Gedichte oder das Werk Natsume Sôsekis bezieht er in seine Analyse mit ein.
Besonders unterhaltsam sind natürlich auch Tanizakis Erläuterungen zur japanischen Sexualität – und vor allem deren Vergleich mit dem Westen. Tanizaki unterstellt den japanischen Männern, sie hätten weniger sexuelle Energie und führt dies auf die engen Wohnverhältnisse und das schwül-warme Klima zurück. Seine Erklärungen dürften nicht immer aufgehen und orientieren sich teilweise wohl auch an stereotypen Annahmen über den Westen, zum Beispiel wenn er sagt, dass westliche Frauen ein antikes, ausbalanciertes Körperideal anstreben. Dies macht er zum Beispiel daran fest, dass „in europäischen und amerikanischen Städten überall“ (34) Figuren von mythologischen Göttinnen aufgestellt seien.
Leicht und teilweise auch amüsant zu lesen ist dieses kleine Büchlein aber allemal. Allerdings stellt sich die Frage, warum die drei Essays nicht auch in einer preisgünstigeren Ausgabe gesammelt wurden – der Essay macht lediglich 71 großzügig bedruckte Seiten, die in gut einer Stunde durchgelesen sind. Von daher ist Liebe und Sinnlichkeit ein ästhetisches, aber teures Lesevergnügen.
Fazit
Tanizaki befasst dich mit dem Thema Liebe in der japanischen Literatur - und versucht sich auch wieder an einem Vergleich zum Westen.Verfasst am 28. Juli 2011 von Friederike Krempin
Tags: Japan und der Westen, Junichiro Tanizaki, Liebe in der Literatur