Genau wie in Deutschland wurden auch in Japan in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges vollkommen sinnlos Soldaten als Kanonenfutter für den utopischen „Endsieg“ verheizt. In Japan war die Aufopferung der Soldaten selbst aber noch fanatischer, denn in Kriegsgefangenschaft zu kommen, galt als unehrenhaft. Dieses Buch erzählt die letzten Kriegstage aus der Sicht eines Soldate.
Nakamura ist ein Mustersoldat. Er hat es in der Armee bis zum Gruppenführer gebracht und saugt die stumpfen Parolen des Militärs in sich auf. Bei allem ist er voll dabei: als die Soldaten die Höhlen der Inseln zu kleinen Festungen ausbauen sollen, arbeitet er am härtesten, um den anderen ein Vorbild zu sein. Auch als der Krieg endlich auf der Insel ankommt, kämpft er bis zum Schluss.
Ein Antikriegsroman aus der Perspektive eines faschistischen Mustersoldaten ist schon etwas unüblich. Nakamura ist kein Held, bei ihm findet keine Einsicht oder ein Umdenken statt. Dementsprechend offenbart sich dem Leser die Sinnlosigkeit des Krieges auch nicht direkt in Nakamuras Gedanken, sondern er muss das Geschehen beobachten und sich seine Meinung bilden. Diese kann aber bei der stumpfen Militärpropaganda und der grausamen Kriegshandlungen nur eindeutig – gegen den Krieg – ausfallen.
Insgesamt liest sich das Buch wie ein Bericht, ist die Beziehung zu den Figuren selbst distanziert. Zum Einen durch ihre Denkweise, die eine große Lücke zwischen dem Leser und den Figuren im Buch aufklaffen lässt, zum Anderen sind die Soldaten alle sehr stereotyp dargestellt. Alle, auch Nakamura sind auswechselbar und so berührt auch kein Schicksal wirklich.
Auch zwischen den Figuren klaffen große Gräben. Auch wenn sie eigentlich durch ihren gemeinsamen Kampf fürs Vaterland vereint scheinen, sind sie doch alle einsam. Die Beziehungen sind relativ förmlich und oberflächlich, es gibt keine engeren Bindungen wie bei Remarques Figuren aus Im Westen nichts Neues.
Trotz allem ist die Erzählung fesselnd. In den ersten zwei Dritteln des Buches, als die Soldaten mit der Vorbereitung auf die Landung der Amerikaner beschäftigt sind, läuft die Handlung nur sehr schleppend an. Dieser ruhigere Teil ist eine Vorbereitung auf das Kommende, er erklärt das Denken des japanischen Militärs, das Gyokusai und warum sich die Soldaten im Kampf schließlich so gnadenlos gegen andere und auch sich selbst verhalten. Als die Amerikaner schließlich auf der Insel landen und der Kampf beginnt, überschlägt sich die Handlung förmlich und steigert sich immer mehr bis zur Katastrophe. Auch wenn die Soldaten stereotyp gezeichnet sind, auch wenn der Schreibstil nüchtern ist, grausam ist das Kriegsgeschehen trotzdem noch genug.
Der Schiler Verlag bringt mit Gyokusai erstmals ein Buch von Makoto Oda auf den deutschen Buchmarkt. Dieser ist bisher bei uns noch vollkommen unbekannt, in Japan aber sehr populär und war (leider ist er 2007 verstorben) neben Kenzaburo Ôe einer der wichtigen linken Schriftsteller in Japan, die sich gegen Krieg und Faschismus einsetzen.
Fazit
Ein spannender Antikriegsroman, mal nicht aus Sicht der Zivilibevölkerung, sondern des Militärs.Verfasst am 11. August 2010 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 18. August 2019