Mit Die Frau im lila Rock wird erstmals ein Titel von Natsuko Imamura ins Deutsche übersetzt. 2019 wurde die Autorin für den Roman mit dem renommierten Akutagawa-Literaturpreis ausgezeichnet, die Pressestimmen auf dem Cover loben den Roman als „ebenso ungewöhnlich wie verführerisch“ oder „aufregend und mit feiner Ironie“.
Doch entgegen dieser euphorischen Worte kommt der Roman – wie man es oft von japanischer Literatur gewohnt ist – erzählerisch ganz ruhig und unspektakulär daher.
Die Frau im lila Rock ist eine Außenseiterin. Sie hat schon viele prekäre Jobs gehabt, doch nun ist sie wieder arbeitslos. Ihre Zeit verbringt sie auf einer Parkbank, gern ist sie dabei ein Vanillecremebrötchen. In ihrem ganzen Verhalten wirkt die Frau ein wenig sonderlich und leicht ungepflegt, was auch den im Park spielenden Kindern auffällt. Die Frau schnell abzuklatschen und dann wegzurennen wird zur Mutprobe für die Kinder.
Die Frau im lila Rock ist jedoch trotz ihrer Sonderlichkeiten nicht ganz allein. Sie wird stets beobachtet von der Frau in der gelben Strickjacke, die als Erzählerin des Romans auftritt. Die Frau in der gelben Strickjacke ist es auch, die der Frau im lila Rock passende Stellenanzeigen in einem Magazin markiert und dieses heimlich auf die Parkbank legt. Die Frau im lila Rock studiert diese Anzeigen und schafft es, das Bewerbungsverfahren erfolgreich zu durchlaufen und arbeitet schließlich als Reinigungskraft in einem Hotel – genau wie die Frau in der gelben Strickjacke. Einfach ist die Arbeit im Hotel nicht, doch die Frau im gelben Rock macht sich von Tag zu Tag besser und lernt die Tricks und Kniffe der Angestellten, wie etwa, sich am Obst und Champagner der Gäste zu bedienen.
Natsuko Imamura erzählt von prekärer Arbeit, von Frauen am Rande der Gesellschaft, Machtmissbrauch und übergriffigem Verhalten. All dies wird im Roman jedoch so lakonisch und neutral präsentiert, als wäre es der Normalfall.
Doch irgendwie scheint die Erzählperspektive nicht ganz schlüssig: Warum weiß die Frau in der gelben Strickjacke so viel über die Frau im lila Rock? Warum ist sie stets räumlich zugegen und weiß Dinge, die sie logischerweise gar nicht wissen kann? In welchem Verhältnis stehen die beiden Frauen zueinander? Ergänzen sich nicht beide Kleidungsstücke – der lila Rock und die gelbe Strickjacke – erst zu einem Ganzen?
Die Frage löst sich über den Roman nicht vollständig auf, bietet aber immer wieder Anhaltspunkte für kleine Irritationen. Diese machen die Handlung keinesfalls kompliziert, sondern allenfalls spannender.
Als sich die Frau in lila Rock schließlich immer mehr in Bedrängnis begibt, kommt es zu einem überraschenden Ende, bei dem trotzdem vieles offen bleibt. Die eigentlich doch recht kurze Geschichte, die auf nur 128 Seiten erzählt wird, braucht Zeit, um nachzuwirken und sich zu setzen. Das macht ihren Reiz aus.
Fazit
Ein subtiler Roman mit spannender Erzählperspektive.Verfasst am 17. März 2025 von Friederike Krempin