Chor der Pilze

Chor der Pilze



Naoe ist schon weit gereist, war als junge Frau während des Zweiten Weltkrieges mit ihrem Mann in China und folgte schließlich ihrer Tochter Keiko, als diese mit ihrem Mann nach Kanada auswanderte.

Doch in Kanada ist Naoe nie richtig angekommen. Nun sitzt sie auf einem Stuhl – immer demselben Stuhl – in einem Haus, durch das der Wind pfeift. In einem staubigen, trockenen Klima betreibt ihre Tochter eine Pilzfarm und versucht, sich wie eine Kanadierin zu benehmen. „Tochter von meinem Körper, aber nicht von meinem Mund“ (Seite 38 des Romans), so bezeichnet Naoe ihre Tochter Keiko. Japanisch spricht nämlich nur noch Naoe selbst – und niemand hört ihr mehr zu, außer ihrer Enkelin Muriel, die sie aber nicht versteht, da sie nie Japanisch gelernt hat.

Ungefähr die eine Hälfte des Romans wird aus der Perspektive von Naoe, die andere Hälfte aus der Perspektive von Muriel, in kleineren Anteilen auch von Keiko erzählt. Auf einer weiteren Metaebene erzählt eine vierte Person, die deckungsgleich mit Muriel sein könnte, einem Mann „ihre Geschichte“, also wiederum die Geschichten, die die drei Frauen erzählen.

Für mich war der Roman an einigen Stellen nur schwer verständlich. Naoe erzählt teilweise sehr wirr, es gibt Dialoge zwischen ihr und Muriel, die auch auf einer Art Metaebene stattzufinden scheinen, denn plötzlich können sich beide verständigen, obwohl sie nicht dieselbe Sprache sprechen. Ich habe mich deshalb meist darauf konzentriert, zumindest die Handlung grob nachvollziehen zu können.

Zusammengefasst geht es in dieser Handlung um die Gefühlswelten von Einwanderern der ersten und zweiten Generation, um die Frage von Integration und Assimilation, um asiatische Stereotype und Rassismus.

Diese Thematik ist sprachlich verpackt in einen experimentellen, anspruchsvollen Stil, der wie bereits erläutert auch durch die ständige Vermischung unterschiedlicher Erzählperspektiven der Zugänglichkeit des Romans nicht zuträglich ist. Teilweise hatte ich sogar das Gefühl, der inhalt ordne sich dieser Stilistik unter. Die Handlung wirkt hinter der überbordenden Stilistik fast bruchstückhaft. So bleiben inhaltlich viele Fragen komplett offen: Warum wanderte Keiko nach Kanada aus, warum begleitete Naoe sie? Wieso konnte die Familie ihren Familiennamen einfach in „Tonkatsu“ (jap. für Schweineschnitzel) umwandeln lassen?

In die Erzählungen von Naoe sind immer wieder einige japanische Wörter und Redewendungen eingewoben, die aber nicht für den Leser übersetzt werden. Wer Japanisch versteht, für den werden diese Einstreuungen zur Authentizität beitragen. Für alle anderen werden sie aber eine weitere Verstehenshürde darstellen.

Fazit

Ein nicht einfach zugänglicher Roman über Migrationserfahrungen von Japanern in Kanada.

Verfasst am 15. April 2025 von

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