Bis zur Kriegsniederlage 1945 galt der japanische Kaiser für die Japaner als Gott – auch für diejenigen Japaner, die im Ausland lebten. Viele Einwanderer der ersten Generation oder japanischstämmige US-Amerikaner hatten sich neben diesem Glauben an ihren Tennô auch weitere Traditionen aus Japan bewahrt, beispielsweisen das Essen mit Stäbchen oder die Zubereitung von Reisbällchen als Snack statt Sandwiches.
Als nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor Japan und alles Japanische zum Feind erklärt werden, verzichtet die japanische Familie, von der Julie Otsuka in Als der Kaiser ein Gott war erzählt, nach außen hin auf alles, was sie als Japaner auszeichnen könnte. Dies bewahrt sie aber trotzdem nicht davor, als suspekte Elemente, in ein Lager nach Utah deportiert zu werden. Die Frau, das Mädchen und der Junge – anders bezeichnet Otsuka sie nicht – verbringen ihre Lagerzeit wie gelähmt, in Gedanken an den Mann und Vater, der zuvor vom FBI mitgenommen wurde.
Die Diskriminierung und Deportation japanischstämmiger U.S.-Bürger in den USA während des Zweiten Weltkriegs wurde lange wenig thematisiert. Wenig rühmlich war das Verhalten des US-Staates einerseits, die Betroffenen andererseits schwiegen aus Scham. In den letzten Jahren gab es aber schließlich immer wieder neue Publikationen zu diesem Thema – auch in Deutschland. Dazu zählen sowohl die Romane Keiko und das Echo eines langen Tages als auch der zuletzt veröffentliche Bericht das Lager in der Wüste von Yoshiko Uchida, den Otsuka übrigens auch als Quelle für diesen Roman aufführt.
Im Gegensatz zu Uchidas ausführlichem Bericht ist Otsukas Geschichte allerdings deutlich komprimierter – und insgesamt vom Umfang her auch recht kurz. Der Aufenthalt im Lager nimmt ungefähr die Hälfte des Buches ein, ein Viertel beschäftigt sich mit den Vorbereitungen zur Abreise und ein Viertel mit der missglückten Wiedereingliederung in die bürgerliche Idylle, in der die Familie vor der Deportation lebte. Alle Kapitel sind für sich schmerzlich, sei es der Abschied zu Beginn, bei der die Mutter den kleinen, treuen Hund der Familie erschlägt, sei es die Trennung vom Vater oder dessen Resignation nach seiner Heimkehr.
„Wir wussten es nicht. Wir wollten es nicht wissen. Wir fragten nie. Alles, was wir nach unserer Rückkehr in die Welt wollten, war, zu vergessen.“ Als der Kaiser ein Gott war.
E-Book-Ausgabe
Julie Otsuka bleibt ihrem Erzählstil aus ihrem als Deutschland-Debüt veröffentlichten Roman Wovon wir träumten treu: Die Figuren bleiben namenlos und anonym und stehen für die Erfahrungen einer ganzen Generation. Dementsprechend allgemein bleiben auch ihre Erlebnisse im Lager. Nur der kleine, weiße, treue Hund, dem die Mutter mit dem Gadentod ein anderes Schicksal ersparen will, bleibt im Gedächtnis an eine Familie, die am Ende zwar ihre Freiheit zurückerlangt und doch alles verloren hat.
Fazit
Wie auch schon im Vorgängerroman Wovon wir träumten erzählt Otsuka vom Schicksal einer ganzen Generation Einwanderer in den USA.Verfasst am 9. September 2019 von Friederike Krempin