Von der aktuellen Literatur aus Japan können wir in Deutschland immer nur einen Bruchteil kennenlernen. Aber auch die literarischen Klassiker sind noch lange nicht alle übersetzt. Über 60 Jahren nach seiner Veröffentlichung hat es nun aber ein wichtiger Klassiker der japanischen Nachkriegsliteratur zu uns geschafft.
Sakae Tsuboi erzählt, beginnend im Jahr 1928, von der allmählichen Militarisierung, Nationalisierung und den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs. Anders als viele Romane über diese Zeit wie beispielsweise Die sieben Rosen von Tokyo, die vom Leben der Städter erzählen, geht es in Vierundzwanzig Augen um das Leben der einfachen Landbewohner weit ab der großen Städte.
Im Mittelpunkt steht die junge Lehrerin Ōishi, die 1928 an der kleinen Dorfschule zu unterrichten beginnt. Die Geschichte scheint zunächst friedlich und naiv: Ōishi wird von den Dorfbewohnern kritisch beäugt, da sie moderne Kleidung trägt und mit einem Fahrrad zur Schule kommt – zwei Dinge, die auf dem Dorf zu dieser Zeit etwas ganz Neues sind. Ihre Andersartigkeit macht es ihr schwer, von dem Dorfbewohnern respektiert zu werden, doch schließlich kann sie sich mit ihrer Liebenswürdigkeit mit den Dorfbewohnern versöhnen.
Diese zunächst friedliche Erzählung, die immer wieder zum Schmunzeln über das einfache Dorfleben zur damaligen Zeit anregt, steht in großem Kontrast zu dem, was mit Beginn des Krieges folgt. Zunächst sind die Kinder des Dorfes, deren Leben von Armut bestimmt ist, begeistert, sich beim Militär Geld zu verdienen. Doch schließlich ist das Schicksal aller Kinder, die Ōishi einst so glücklich unterrichtete, tieftraurig. Auch die so hoffnungsvolle, moderne Ōishi hat der Krieg ihre Hoffnungen genommen – nur die Erinnerungen an ihre ersten glücklichen Jahre als Lehrerin im kleinen Dorf bleiben.
Tsubois Roman hat also viele Facetten: Er beschreibt das Landleben, die schleichenden Veränderungen durch den Krieg, die Arbeit der Lehrer und übt Kritik an der sozialen Situation der einfachen Leute auf dem Land. All dies zusammen ergibt ein differenziertes, tiefgründiges Bild eines wichtigen Teils der japanischen Gesellschaft der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts.
Zuletzt eine kleine Anmerkung zum Preis: Die Übersetzung ist eine private Übersetzung, an der auch Studenten der Universität des Saarlandes mitwirkten. Gerade auch weil sich der Roman für einen Verlag wirtschaftlich wohl nicht rechnete, ist Kobayashi-Woirgardt die Übersetzung und Veröffentlichung auf eigene Initiative hoch anzurechnen. So ist der Roman zwar etwas teurer, da er im Print on Demand Verfahren gedruckt wird, er ist dafür aber auch eine schöne Ergänzung in der Sammlung japanischer Klassiker in deutscher Übersetzung.
Fazit
Tsuboi fängt in einem sympathischen Erzählstil das Landleben im Japan der Vorkriegszeit ein.Verfasst am 6. Juli 2013 von Friederike Krempin
Tags: Landleben, Schule, Zweiter Weltkrieg