Genau wie auch in Deutschland ist der Zweite Weltkrieg in der japanischen Literatur ein bedeutendes Thema, das in zahlreichen Romanen verarbeitet wurde. Doch kein Roman schildert die damaligen Lebensumstände so umfassend und genau wie dieses 670 Seiten starke Buch.
Die sieben Rosen von Tokyo ist das Tagebuch von Shinsuke Yamanaka, einem nicht dummen, aber doch recht einfachen Fächerhändler, den der Krieg arbeitslos gemacht hat. Im April 1945 beginnend schildert Shinsuke sein alltägliches Leben in Tokyo, das durch die vielen Entbehrungen, die Lebensmittelknappheit und die Luftangriffe eigentlich schon längst nicht mehr alltäglich ist.
Shinsukes Aufzeichnungen reichen von April 1945 bis April 1946. Er hält damit nicht nur das Ende des Zweiten Weltkrieges fest, sondern erzählt auch von der Besatzungszeit danach. Indem beide Teile gleichsam ausführlich geschildert werden, entsteht ein interessanter Kontrast zwischen den kaisertreuen, stolzen Bürgern während des Krieges einerseits und den sich unter Mac Arthur unterordnenden Japanern als Kriegsverlierer andererseits.
„Ein Inspektor der Sonderpolizei wird zu einem Archivbeamten, der Todfeind Mac Arthur zum Erlöser. Ich habe den Eindruck, die Welt ist zu einem Gespensterhaus geworden, in dem nichts ist, wie es scheint.“ (276)
Interessant ist auch Shinsuke als Person selbst, denn er lässt sich in keine Kategorie so richtig einordnen. Vor Kriegsende ist er zwar kaisertreu, der Propaganda gegenüber aber kritisch. Nach lehnt er sich gegen die Besatzer auf, denen er mit den Abwürfen der Atombombe Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft. So landet Shinsuke sowohl vor als auch nach dem Kriegsende im Gefängnis.
Ein Buch in diesem Umfang zeigt nicht nur viele Alltagsfacette, sondern behandelt auch viele Themen, die hier gar nicht alle aufgezählt werden können. Ein bestimmendes Thema, das sich durch den kompletten Roman zieht, ist aber der permanente Mangel an den nötigsten Alltagsdingen. Es scheint fast, als sei jede Figur fast ausschließlich damit beschäftigt, zu überleben. Kaffee wird zu Luxusgut, Zigaretten und Seife zu kostbaren Geschenken.
Hisashi lässt seinen Protagonisten auch die Lebensumstände des Alltags detailliert beschreiben. Wie verläuft eine Hochzeit im Krieg, wo bekommt man den Alkohol für die Hochzeitsfeier her und wie ist Alkohol rationiert? Welche Bürokratie müssen Ausgebombte noch über sich ergehen lassen, ehe sie mit dem Zug zu ihrer Verwandtschaft fahren dürfen? Fast wirkt Die sieben Rosen von Tokyo so wie eine Dokumentation über das damalige Leben, allerdings wird diese Dokumentation durch die Einbettung in Shinsukes Lebensgeschichte erst richtig lebendig.
Gleich hinter 1Q84 ist Die sieben Rosen von Tokyo wohl das umfangreichste Werk, das bisher auf japanliteratur.net besprochen wurde. Auch wenn die Lektüre viel Zeit in Anspruch nimmt, lohnt sie sich auf jeden Fall, denn sobald man sich in Shinsukes Schreibstil eingefunden hat und in den Roman eintauchen kann, ist man der damaligen Zeit wohl näher als in keinem zweiten Roman.
Fazit
Aktuell der Roman über den Zweiten Weltkrieg in Japan.Verfasst am 3. April 2013 von Friederike Krempin
Tags: Generationenkonflikt, Großstadt, Kanji, Nachkriegszeit, Zweiter Weltkrieg