Die Kirschblüte ist das Symbol Japans. Nicht umsonst sind es wohl auch gerade Bücher von Autoren aus Übersee, bei denen Kirschblüten schon im Buchtitel eine Rolle spielen. Schnee im April – damit sind auch bei Aly Cha die Kirschblüten gemeint, wenn sie zu Boden fallen. Ist ihr Debütroman wirklich innovativ oder variiert sie das altbekannte Motiv nur?
Aly Cha erzählt die Geschichte einer japanischen Familie – besser gesagt einer Kette von japanischen Müttern und ihrer Töchter – über mehrere Generationen und ein halbes Jahrhundert hinweg. Der Aufbau des Buches ist geschickt gemacht und fesselt von Anfang an: Die Geschichte wird chronologisch von 1895 bis in die Gegenwart erzählt und durch einen Handlungsstrang, der in der Gegenwart des Jahres 1969 spielt, gerahmt.
Die Geschichte beginnt bei der alten und einsamen Asako, die sich mit ihrer Tochter Miyo zerstritten hat. Die Tochter arbeitet anscheinend in einem Bordell in Tokyo und überlässt Asako in einer Winternacht ihre Enkelin, ehe sie spurlos verschwindet. Nach und nach wird durch die Erzählung der Familiengeschichte aufgelöst, wie es zu Asakos und Miyos schlechten Lebensverhältnissen kommen konnte und warum sie sich zerstritten haben.
Der Roman will ganz eindeutig die Emotionen ansprechen: Es werden stereotype Handlungsmuster eingeflochten wie die Geschichte eines armen Mädchens, dass von einem reichen Fürsten geheiratet wird, der dafür seinen Titel ablegen und in bitterer Armut mit ihr leben muss. Es gibt viel Leid und plötzliche Wendungen, intrigante Vorgesetzte, böse Schwiegermütter, aber auch Momente des vollkommenen Glückes zwischen den Frauen und ihren Töchtern. Das ständige Wechselbad der Gefühle macht die Geschichte spannend und dynamisch und bringt den Leser dazu, mit den Frauen mitzufühlen.
Seltsam unberührt bleiben die Lebensgeschichten der Frauen von den historischen Ereignisse. Der Zweite Weltkrieg spielt zum Beispiel kaum eine Rolle, dafür werden aber zwei einfache Gewitter inszeniert, als seien sie eine lebensgefährliche Bedrohung.
Nicht ganz in die Handlung eingefügt haben sich außerdem die Geschichten von Nebenfiguren, die genausogut hätten herausgelassen werden können. Warum zum Beispiel erfährt man auf einmal von der verhinderten Liebe der Lehrerin von Asakos Enkelin? Warum wird zu Beginn eine Geschichte davon aufgemacht, dass ein Mädchen mit seinem Vater in einem früheren Leben zusammen war und der Vater es deshalb heute bevorzugt behandelt, obwohl der Vater dan kurze Zeit später ertrinkt und das Mädchen auch mit einem anderen Mann glücklich wird?
Nachdem die Familiengeschichte im Mittelteil chronologisch erzählt wurde, geht es wieder zurück in die Gegenwart. Irgendwie scheint die Luft hier schon frühzeitig aus der Geschichte heraus zu sein. Cha langweilt noch ein bisschen mit Erzählungen von Banalitäten, die schon leicht in den Kitsch hineingehen, sobald es um die Beschreibung von Emotionen und Gefühlen geht. Zum Ende hin wird es dann aber nochmal teils dramatisch, teils kitschig-rührend. Nicht alle Fragen, die der Roman auflöst, werden gelöst, aber immerhin bekommt er dafür ein Ende, dass der gesamten dramatischen Konzeption des Buches entspricht.
Innovativ ist Chas Roman also nicht, sie bietet aber soliden und packenden Lesestoff, gespickt mit vielen Elementen japanischer Kultur.
Fazit
Ein Buch zum Mitfühlen, das teilweise sehr fesselt, aber auch einige Schwächen hat, über die man je nach Lesegschmack hinweglesen kann.Verfasst am 17. Juli 2011 von Friederike Krempin
Tags: Familiensaga, Frauen in Japan, Lebensgeschichte, Liebe