Wenn es ein Buch gibt, das ihr lesen solltet, wenn ihr japanische Literatur kennenlernen wollt, dann ist es dieses hier. No longer human ist auch in Japan ein Klassiker und ist – laut Nachwort von Irmela Hijiya-Kirschnereit – eines der meistgelesenen japanischen Bücher.
Dabei ist nicht nur die Geschichte um den von allen Menschen entfremdeten Yôzô Ôba, der schließlich in einer Nervenheilanstalt landet, lesenswert. Auch die Umstände der Veröffentlichung sind bemerkenswert: Osamu Dazai, der zu diesem Zeitpunkt gerade um die 40 Jahre und in Japan ein bekannter Schriftsteller ist, beendet den Roman und bringt sich anschließend um. Die Veröffentlichung im Ganzen erlebt er selbst also nicht mehr mit.
No longer human wirkt somit wie ein Vermächtnis. Dieses Vermächtnis erzählt die Lebensgeschichte eines jungen Mannes aus gutem Hause, der die besten Voraussetzungen hat und dem doch alles misslingt. So ist Yôzô Ôba mit gerade einmal 27 Jahren gezeichnet (so zugleich der Titel dieses Romans auf Deutsch, als er 1997 zum ersten Mal veröffentlicht wurde – die Umbenennung in No longer human wurde erst mit der aktuellen Neuauflage vorgenommen). Nach Alkohol- und Drogensucht und einem Aufenthalt in der Nervenklinik hat er graues Haar und sieht aus wie vierzig.
In drei Notizheften, die dem fiktiven Autor zugespielt wurden, erzählt Yôzô von seiner Kindheit und seinem Werdegang und beschreibt die Erlebnisse seines frühen Erwachsenenlebens im Tokyo Anfang der 1930er Jahre.
Schon als Kind fühlt er sich selbst der Menschheit fremd. Deshalb nutzt er eine Strategie, die er Clownerie nennt. Das heißt: Er verschließt sich komplett und versucht nur das zu sagen, was die Leute von ihm hören wollen. Auch wenn er furchtbare Angst vor der Reaktion anderer hat, schneidet er Grimassen und belustigt alle mit seinen Faxen.
Yôzô geht nach Tokyo und lebt ein unstetes Leben in Künstlerkreisen. Prostituierte, Zigaretten und Alkohol helfen ihm seine – wie er es formuliert – „Menschenangst“ vorübergehend zu vergessen. In seiner inneren Zerrissenheit wird er nie glücklich, doch genau dies scheint ihn für Frauen nur noch attraktiver zu machen. Schließlich wird er einige von ihnen ins Unglück stürzen.
Zwischen der Figur Yôzô und Osamu Dazai gibt es mehrere Parallelen – etwa die Herkunft aus reichem Haus und die Entfremdung zur eigenen Familie. Auch unternahm Osamu Dazai genau wie Yôzô einen Selbstmordversuch, bei dem nur seine Begleiterin, nicht aber er selbst starb. Die scheinbare Nähe zum Autor und seinen Erlebnissen, die so suggeriert wird, machen den Reiz der Erzählung mit aus.
Osamu Dazai starb bereits 1948, sein letzter Roman bleibt aber bis heute faszinierend. Da sein Tod inzwischen mehr als 70 Jahre her und sein Werk so inzwischen gemeinfrei ist, gibt es unterschiedliche Übersetzungen. Die vorliegende Übersetzung von Jürgen Stalph stammt ursprünglich aus dem Jahr 1997. Der damals unter dem Titel Gezeichnet erschienene Roman wurde nun unter dem Titel No longer human von Suhrkamp neu aufgelegt.
Fazit
Ein Klassiker für jede Japan-Leseliste!Verfasst am 3. November 2024 von Friederike Krempin