Ein Werk in zwei Teilen – das kennen wir bisher nur von Großmeister Haruki Murakami. Nun legt der Septime Verlag mit In Liebe, dein Vaterland aber auch für Ryu Murakami mit einem 1000-seitigen Epos nach.
Zugegeben, Haruki Murakami und Ryu Murakami sind ansonsten nur schwer zu vergleichen. Erzählt der Haruki ruhig und besonnen, werden seine Bücher zum Seelentröster, so ist Ryu dagegen radikal, brutal und schonungslos. Gut und Böse verschwimmt bei ihm ineinander, bis es weder das eine noch das andere gibt. Gewalt regiert, die Hoffnung stirbt ab, aber der Überlebensinstinkt bleibt.
Wenn solch ein Autor dann eine Zukunftsvision Japans zeichnet, gerät diese sehr düster: Ryu Murakami erzählt in In Liebe, dein Vaterland, wie Nordkorea eine Invasion plant und Fukuoka auf der südlichen Insel Japans dazu besetzt. Die Japaner sind von dieser Situation vollkommen überrumpelt, sind sie doch ein Volk, das inzwischen nicht mehr weiß, wie es mit einer solchen Gewalt umgehen soll.
Murakamis Szenario ist so, wie er es sich ausdenkt, gar nicht so unrealistisch. Zwar war, als er 2005 diesen Roman verfasste, noch nicht klar, dass mit Fukushima 2011 ganz andere Ereignisse das Land in eine Krise manövrieren, die Nordkoreaner, die in seiner Version im Jahr 2011 Japan besetzen, treffen aber auf ein isoliertes, wirtschaftlich geschwächtes Land, das sich mit seinen Strukturen selbst im Weg steht.
1000 Seiten sind sehr umfangreich für eine Geschichte, die man komprimiert vielleicht auch auf gut der Hälfte erzählen könnte. Das Personenverzeichnis ist sehr umfassend und streckenweise war es wirklich schwierig, den Überblick über alle handelnden Personen zu behalten. Auch wird Murakami stellenweise extrem detailliert. So stellt ein junger Outlaw seitenlang all seine Waffenmodelle und deren Abmessungen vor. Ein Arzt untersucht jeden Patienten aufs Peinlichste genau. Aufgelockert werden diese Passagen immer wieder durch ganze spannenden Kapitel, allerdings scheint es fast, als hätte Murakami sich hier ein wenig zu sehr aufs Detail konzentriert.
In Liebe, dein Vaterland ist schon allein wegen seiner Thematik so spannend, dass man es einfach durchlesen muss. Murakamis extreme Neigung zu Gewalt und Härte in seinen Romanen macht das Buch aber sicher nicht für jeden absolut empfehlenswert. Für alle Japanfreunde sind die zwei Bände auf jeden Fall ein Muss, ein Unterhaltungsbuch für zwischendurch – wie man andere, kürzere Bücher von Murakami vielleicht noch gerade so einordnen könnte – ist es aber auf keinen Fall.
Hinweis:
In Liebe, dein Vaterland ist in zwei Teilen erschienen:
Bd. I, ISBN: 978-3-902711-76-2
Bd. II, ISBN: 978-3-902711-80-9
Fazit
1.000 Seiten Murakami - das Leseerlebnis für japanische Literatur in 2019!Verfasst am 13. April 2019 von Friederike Krempin
Tags: Besetzung, Fukuoka, Gewalt, Krieg, Nordkorea, Ryu Murakami, Überleben, Zukunft