Der schon greise Eguchi ist wegen seines Alters zu körperlicher Liebe kaum noch fähig. Durch den Geheimtipp eines Freundes kommt er in ein Etablissement, dass alten Männern unter größter Diskretion anbietet, eine Nacht neben in Tiefschlaf versetzten Frauen zu verbringen – mit der Bedingung, sich nicht an ihnen zu vergreifen.
Eguchi plagt sich mit moralischen Bedenken herum, ob es richtig ist, neben wehrlosen, wie Spielzeuge für ihn hergerichteten Frauen zu schlafen. Doch trotz seiner Bedenken und der Missachtung für sein Verhalten sich selbst gegenüber, ziehen ihn das Freudenhaus und seine Mädchen immer wieder aufs Neue an. Er versucht herauszufinden, was es mit dem Freudenhaus auf sich hat und wer die Mädchen sind, die sich freiwillig so tief einschläfern lassen, dass sie wie tot scheinen. Doch ehe er das Geheimnis des Hauses aufdecken kann, kommt es zu einer Katastrophe.
Kawabata erzählt in fünf Kapiteln von fünf Nächten, die Eguchi in dem seltsamen Freudenhaus verbringt. Im Mittelpunkt der Erzählungen steht die Beschreibung der Schönheit und Erotik der jungen Frauen, die Kawabata mit seinem geschulten Empfinden für Ästhetik gekonnt ausführt. Die Spannung entsteht, gerade weil zwischen Eguchi und den Mädchen immer eine Distanz bleibt, weil die Mädchen letztlich für ihn unerreichbar bleiben.
Nicht nur die Schönheit der Frauen ist in diesem Kurzroman ein Thema, sondern auch Eguchis Alter. Kawabata, der zum Zeitpunkt der Niederschrift des Buches selbst schon über 60 Jahre alt ist, verarbeitet hier seine eigene Lebenssituation als langsam alternder Mann. In den nächtlichen Freudenhausepisoden stellt er das Hässliche des Alters neben die jugendliche Schönheit und Frische der Frauen. Hässlich und schön sind hier nicht nur äußerliche Attribute, sie zeigen sich auch im Verhalten der Charaktere: während sich Eguchi „hässlich“ verhält, indem er sich zu den wehrlos Schlafenden legt, scheinen die Frauen in ihrem tiefen Schlaf unschuldig und rein.
Von Nacht zu Nacht steigert Kawabata die Spannung, versucht Eguchi den Frauen näher zu kommen und kämpft gleichzeitig gegen seine sich immer deutlicher zeigende körperliche Regression. Doch wer eine Auflösung erwartet, wird enttäuscht. Genau wie Eguchi lässt Kawabata den Leser letztlich auch in den dunklen R√§umen des Freudenhauses ratlos zurück.
Fazit
Die Schöne und der Alte: von den nächtlichen Besuchen eines alten Mannes in einem geheimnisvollen Freudenhaus.Verfasst am 2. Mai 2010 von Friederike Krempin
Tags: Alter, Ästhetik, Erotik, Geheimnis, Nobelpreisträger, Prostitution, Yasunari Kawabata