Der heutige Tokyoter Stadtteil Asakusa ist wahrscheinlich vor allem für seinen Sensô-ji Tempel und sein noch eher „traditionelles“ Stadtbild bekannt. Kawabata fängt mit seinem Roman die Atmosphäre Asakusas aus dem Jahr 1930 ein, das damals auch noch ein bekanntest Amüsierviertel war.
Das Asakusa Kawabatas scheint nie zu schlafen. Amüsierbetriebe reihen sich aneinander, aber auch die Rezession der 30er Jahre macht sich sichtbar: Viele Obdachlose kampieren einfach im Park, es gibt viel Prostitution und Jugendbanden von verwaisten oder weggelaufenen Kindern. Die Rote Bande ist eine dieser Jugendbanden.
Diese Bande ist zunächst der Zugang zu Asakusa für den Erzähler, der als außenstehender versucht, Asakusa zu porträtieren. Weil es ihm vor allem um die Gesamtatmosphäre im Viertel selbst geht, verfolgt er aber keineswegs die Erzählung einer durchgängigen Geschichte, sondern schwenkt wie mit einer Kamera von einer Szene zur nächsten. Dabei stehen natürlich auch immer wieder kurze Geschichten im Vordergrund wie die der Bandenchefin Yumiko, die aber genauso abrupt abbrechen, wie sie anfangen.
Spannend ist auch die Rolle des Erzählers selbst: Mal ist er Teil des Erzählten und hat selbst Redeanteil, mal tritt er vollkommen hinter das Erzählte zurück. Manchmal wendet er sich sogar explizit an den Leser – erwähnt zum Beispiel, dass zwischen der Erzählung und dem Wiedereinsetzen Zeit vergangen ist, in der er nichts geschrieben hat und deckt so die Fiktionalität des Erzählten auf.
Die Rote Bande wirkt wie ein buntes Kaleidoskop, dass Bilder und Reize in verschiedensten Facetten aufnimmt und wiederspiegelt. Ein wenig erinnert der Erzählstil in seiner Dynamik an zeitgenössische Literatur wie Berlin Alexanderplatz – vor allem, weil Kawabata immer wieder Zeitzeugnisse in die Erzählung montiert: Programme von Bühnenaufführungen, Zeitungsüberschriften, Schilder, Lieder. Wegen der detaillierten Beschreibung des Viertels wirkt der Roman so außerordentlich authentisch – ein Grund, warum japanische Literaturwissenschaftler auch immer wieder untersucht haben, inwiefern das Erzählte mit wirklichen Gegebenheiten übereinstimmt.
Vieles, was Kawabata erzählt, ist eigentlich erschreckend und macht Asakusa auch zu einem Elendsviertel: Junge, noch nicht einmal 14-jährige Mädchen müssen sich Prostituieren. Es scheint aber, dass selbst der Armut noch ein Funken Ästhetik abgewonnen werden kann.
Auch auf die Nachwirkungen des Großen Bebens, die die Menschen auch 1930 noch zu beschäftigen scheinen, geht Kawabata ein. In diesem Zusammenhang wird vor allem die Zerstörung der alten Gebäude beschrieben, wie etwa die des ryôunkaku (rechts auf dem Bild).
Bildquelle: Wikimedia
Fazit
Ein Roman, der in ganz besonderer Erzählweise die Stimmung im Asakusa um 1930 einfängt. Literarisch ein interessantes Experiment, aber schwierig zu lesen.Verfasst am 19. August 2011 von Friederike Krempin
Tags: Erdbeben 1923, Japanische Bibliothek im Insel Verlag, Leben in Tokyo, Nobelpreisträger, Rezession, Yasunari Kawabata