Max Dauthendeys Erzählungen sind einige der wenigen literarischen Zeugnisse darüber, wie Deutsche Japan erlebt haben – und zwar nicht das gegenwärtige Japan, sondern das alte, sich im Umbruch befindende um 1900.
Die acht Erzählungen spiegeln acht verschiedene Gefühlssituationen wieder. Zentrales Motiv, durch das sie verbunden werden, ist der Biwasee: mal als Zufluchtsort, mal als Kulisse für Träumereien, mal als todbringendes Gewässer.
Wenn man nun aber Erzählungen erwartet, die die damalige Situation in Japan wiederspiegeln, uns einen tieferen Einblick geben wie zum Beispiel Higuchis Prosa, wird man von diesem Buch enttäuscht. Dauthendey verarbeitet seine Eindrücke nämlich in mythenhaften Geschichten, die Japan zu einem exotischen Märchenland werden lassen.
Die Erzählungen sind ein Gemisch aus Sagen und altem Volksglauben, japanischen Stereotypien und Dauthendeys Erzählkunst. In impressionistischer Manier erschafft er wunderbare Naturstimmungen und farbige Landschaften vor dem inneren Auge. Die Geschehnisse werden mystifiziert, immer hat eine höhere Macht das Schicksal der Figuren in der Hand.
Alles in Allem sind Dauthendeys verzaubernde Erzählungen nur zu empfehlen, wenn man im Hinterkopf behält, dass es in ihnen nicht um eine objektive Abbildung japanischer Lebensverhältnisse geht. Vielmehr nutzt Dauthendey um 1900 das damals so weit entfernte Land, um ein Märchenland auferstehen zu lassen, dass dem kalten, rationellen Europa einen fernen Zufluchtsort entgegensetzt.
Fazit
Max Dauthendeys impressionistische Geschichten sind mystisch und märchenhaft, führen uns in ein imaginiertes, exotisches Japan, das von seinem realen Vorbild weit entfernt ist.Verfasst am 8. Januar 2011 von Friederike Krempin
Tags: Aberglaube, Mythen & Märchen, Ästhetik, Exotik, Mythen