Es ist ein ganz neues Gefühl, bei der Lektüre eines Romans Lust darauf zu bekommen, ein Videospiel zu spielen. Aber wenn der Roman selbst wie eine Art Videospiel gestaltet ist, ist das wohl kaum verwunderlich.
Als sich die Eltern des 11-jährigen Wataru trennen, bricht für ihn eine Welt zusammen. Am liebsten würde er das Geschehene rückgängig machen. Und in einem Fantasy-Roman ist das natürlich möglich. In einem alten, verlassenen Haus öffnet sich für Wataru ein Tor, das ihn in eine Parallelwelt führt. In dieser muss er – ähnlich wie in einem Computerspiel – fünf Edelsteine finden, um sein Schicksal in der wahren Welt zu verändern.
Anders als der ernste Kriminalroman Feuerwagen, der bisher die einzige Veröffentlichung von Miyuki Miyabe auf Deutsch ist, spricht Brave Story ein jüngeres Publikum an. Die Welt wird aus der naiven Sicht eines 11-jährigen beschrieben, was den Roman aber gerade zu Beginn so sympathisch macht.
Ehe Wataru sich in die Fantasywelt begibt, erzählen die ersten 200 Seiten von seinem Leben in der normalen Wirklichkeit, seinen Freunden dort und dem sich zuspitzenden Streit zwischen seinen Eltern. Eigentlich ist dieser Teil der Geschichte schon so liebevoll und unterhaltend erzählt, dass es des Fantasyteils gar nicht mehr bedürfte.
Aber Miyabe entscheidet sich, Wataru durch eine Fantasy-Welt gehen zu lassen, die ähnlich wie ein Computerspiel aufgebaut ist. Trotz vieler Parallelen zu Computerspielen, zum Beispiel dem Lösen von einzelnen Quests und dem Sammeln von Steinen und Items, ist die Fanatasywelt in Brave Story aber doch lebendiger als die eines Computerspiels. Miyabe schafft hier eine perfekte Balance zwischen Roman- und Computerspielelementen.
Watarus einzelne Quests sind spannend und durch immer neue Enthüllungen wird sein Abenteuer in der Parallelwelt auch über 600 Seiten nicht langweilig. Trotzdem ist es natürlich von Anfang an durchschaubar: Ein Computerspiel endet immer damit, dass der Held alle Edelsteine einsammelt und über das Böse siegt. Enttäuschend ist auch, dass Watarus Leben in der realen Welt nach seiner Rückkehr aus der Fantasywelt nicht weitererzählt wird. Zwar ist die Fantasywelt mit ihren Quests, bösen Mächten und Herausforderungen spannend, aber doch irgendwie stereotyp und durchschaubar.
Fazit
Miyabe lässt das Gerne Fantasyroman mit Elementen aus Videospielen verschmelzen. Eine abwechslungsreiche Kombination!Verfasst am 20. August 2013 von Friederike Krempin
Tags: Computerspiel, fiktive Welt, Miyuki Miyabe, Parallelwelt