Nicht ganz Japan liegt nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern. Die alte Kaiserstadt Kyôtô ist von den Bomben weitgehend verschont geblieben. Hier erlebt die kleine Saya die ersten Nachkriegstage – anders, als man es sich zunächst vorstellen würde.
Auf den ersten Blick scheint das Leben in Kyôtô ganz normal zu sein. Zwar erreicht die Einwohner auch hier die Nachricht von der Kapitulation des Kaisers, zwar kommen auch hier die Amerikaner in die Stadt und das Leben verändert sich zusehends, die Bewohner scheinen aber weniger Sorge zu haben als anderswo.
Auch für die kleine Saya scheint der Krieg eher ein unwirkliches Ereignis, bis auf dass sie weniger zu Essen hat als sonst, führt sie ein recht geruhsames Leben. Ihr Vater genießt als Shintô-Priester hohes Ansehen im Viertel, und manche Opfergabe der Bewohner schafft es auch als Mahlzeit in Sayas Magen.
Unruhe in das Leben bringt aber Sayas Mutter. Sie sieht sich als feine Dame, ganz in der Tradition einer Samurai-Familie und ist von ihrem Mann enttäuscht, für den Autorität und Ansehen nur wenig bedeuten. Der alltägliche Familienkrieg, in dem die Mutter versucht, ihre Tochter gegen den Vater auszuspielen, wird so zum Hauptthema des Buches.
Die Autorin Hisako Matsubara erzählt detailliert und dabei mit einem besonderen, fast kindlichen Charme, zum Beispiel wenn es um den ersten Kontakt mit den Amerikanern geht:
„Stimmt es, dass die Amerikaner in den Häusern, in denen sie wohnen, mit Schuhen herumlaufen?“ wurde der Pfandleiher gefragt.
„Damit macht man aber das Haus schnell schmutzig.“
„Es soll Maschinen geben, die den Schmutz mit viel Lärmaufsaugen“, sagte der Pfandleiher.
„Es wäre doch viel sinnvoller, die Schuhe auszuziehen. Dann holt man keinen Schmutz ins Haus.“
„Die Amerikaner haben Angst, dass ihre Füße schlecht riechen. Deshalb behalten sie ihre Lederschuhe an.“ (260)
Hisako Matsubara erzählt aber nicht nur Sayas Geschichte, sondern schwenkt auch immer wieder auf die anderen Bewohner im Viertel um. So entsteht ein kleines Panorama der Nachkriegszeit und ihrer Menschen in Kyôtô.
Fazit
Panorama von Kyôtô und seinen Bewohnern während der Kapitulation 1945 und in der Nachkriegszeit.Verfasst am 6. Dezember 2014 von Friederike Krempin
Tags: Kyôtô, Nachkriegszeit