Nachdem der Blumenbar-Verlag mit den Romanen von Seishi Yokomizo in den letzten Jahren bereits japanische Kriminalromane aus den 40er Jahren veröffentlicht hat, beschert uns der Kampa-Verlag in diesem Jahr noch einen weiteren historischen Kriminalroman.
Tokio Express erschien bereits 1958 und wurde erstaunlicherweise noch im selben Jahr unter dem Titel Spiel mit dem Fahrplan in der DDR (Verlag Volk und Welt) veröffentlicht. Nun hat der Kampa-Verlag diese Übersetzung wieder aufgegriffen und von Mirjam Madlung überarbeiten lassen.
Der Fall scheint zunächst ziemlich gewöhnlich: An einem Strand bei Hakata (Südjapan) werden die Leichen eines Mannes und einer jungen Frau – Sayama und Toki – aus Tokyo gefunden. Schnell gehen die Behörden davon aus, dass es sich um einen Doppelselbstmord handelt, denn beide haben sich mit Zyankali umgebracht. Jedoch ist der tote Mann Beamter in einem Ministerium, das gerade in einen Korruptionsskandal verwickelt ist.
Der Ermittler Jûtarô Torigai ist skeptisch, denn es gibt keinen Abschiedsbrief. Ein weiteres Detail macht ihn zudem stutzig: Wie lässt sich die Quittung erklären, die beweist, dass Sayama auf der Fahrt von Tokyo nach Hakata alleine im Speisewagen saß?
Nicht nur der Ermittler Jûtarô Torigai aus Hakata, sondern auch Kommissar Kiichi Mihara aus Tokyo, der später zum Fall hinzustößt, gehen alle offenen Ermittlungsfragen äußerst logisch an. So bleibt auch bezüglich der Quittung nur ein Schluss: Wenn ein Liebespaar gemeinsamen Selbstmord begeht, so würden sie zuvor die Zeit, die ihnen noch bleibt, gemeinsam verbringen und deshalb auch gemeinsam den Speisewagen aufsuchen. Selbst wenn die Frau nichts essen wollen würde, so würde sie ihren Geliebten zumindest auf einen Kaffee begleiten wollen.
Die gesamten Ermittlungen sind beherrscht von solch logischen Schlussfolgerungen. Wie der ursprüngliche deutsche Titel Spiel mit dem Fahrplan verrät, werden dabei auch Zugfahrpläne noch eine besondere Rolle spielen. Das Buch enthält deshalb nicht nur zwei Karten, sondern auch Skizzen von zeitlichen Abläufen.
So nüchtern die Ermittler ihre logischen Schlussfolgerungen ziehen, so schnörkellos und nüchtern ist auch die Erzählweise. Die Ermittler bleiben gesichtslos, die Erzählung konzentriert sich allein auf den Fall und die Handlung, die ohne einen Satz zu viel schnell vorangetrieben wird.
Fazit
Wer logische Rätsel und Züge liebt, wird an diesem Roman seine Freude haben. Zudem besticht ein besonderer Umstand: Der ganze Fall ist für die Ermittler nur lösbar, da man auf den Umstand vertrauen kann, dass die Bahn auf die Minute pünktlich kommt.Verfasst am 25. August 2024 von Friederike Krempin