Ein Elefant, der auf einem Hochhausdach wohnt und von dort nicht mehr herunterkommt. Ein Busfahrer, der durch einen Herzinfarkt ertrinkt und ein Junge, der beschließt, nicht mehr zu wachsen. Das ist der Stoff für Ogawas neuesten Roman.
Vier Jahre nach seinem Debut in Japan ist Schwimmen mit Elefanten nun endlich auch in Deutschland erschienen. Von allen bisherigen Veröffentlichungen in Deutschland ist er einer von Ogawas skurrilsten Romanen – und doch zugleich ruhig und absolut unauffällig.
Der Elefant, mit dem im Klappentext des Buches geschickt geworben wird, spielt eigentlich nur eine untergeordnete Rolle. Ogawa erzählt die Geschichte eines Jungen mit – so würde ich es zumindest aus dem Roman heraus schließen – autistischen Zügen, der das Schachspielen für sich entdeckt.
„Der Junge“ – so wird er im Roman bezeichnet – lernt das Schachspielen in einem alten Bus bei einem Busfahrer, der so dick ist, dass er nicht mehr hinter das Lenkrad eines Busses passt. Dieser Mann, der durch sein außergewöhnliches Körpervolumen ebenso ein Einzelgänger ist wie der Junge, erkennt das besondere Schachtalent seines Schützlings: Besonders gut spielt der Junge dann, wenn er sich unter dem Schachtisch verkriechen und die Schachzüge im Geiste nachgehen kann. Mit dieser Begabung allerdings lässt sich kein offizielles Schachtunier gewinnen und so bleibt der Junge ein Genie im Verborgenen.
Ogawa erzählt in gewisser Weise eine Entwicklungsgeschichte, zugleich ist die Entwicklung des Jungen hin zum Erwachsenen aber auch begrenzt, da er nicht wächst und so für immer in seinem Kinderkörper bleibt. Diese Geschichte eines Jungen im Kinderkörper erinnert ein wenig an Oskar Matzerath aus der Blechtrommel, auch wenn Stimmung und Handlung des Romans natürlich ganz unterschiedlich sind.
Etwas ganz Besonderes in Schwimmen mit Elefanten ist die verträumte, skurrile Atmosphäre:
„Sie wohnten in einem Haus, das so schmal war, als wäre es von den Nachbarhäusern zusammengestaucht worden. […] Manchmal geschah es, dass der Postbote die Hausnummer übersah und einfach mit dem abzuliefernden Brief im Haus vorbeiging.“ (12)
Nicht nur der Junge im Kinderkörper, auch die Welt, in der er sich bewegt, ist alles andere als alltäglich. So gelangt er beispielsweise in einen Schachclub mit dem Namen „Grunde des Meeres“, in dem Lebendschachpartien in einem alten Schwimmbecken ausgetragen werden.
Ogawa erzählt eine spannende und irgendwie auch mysteriöse Geschichte um ein unbekannten Schachgenies. Trotz all der Skurrilitäten erhält man aber am Ende den Eindruck, dass sich die Geschichte um den Jungen irgendwo auf der Welt tatsächlich so ereignet haben könnte.
Fazit
Der Roman für Schachliebhaber - und natürlich auch für Liebhaber des Skurillen.Verfasst am 1. September 2013 von Friederike Krempin
Tags: Autismus, Skurriles, Verträumt, Yoko Ogawa