Je älter Kawabata wird, desto älter werden auch die Protagonisten seiner Bücher. Wie es schon in die schlafenden Schönen oder ein Kirschbaum im Winter um greise Männer ging, beschäftigt sich auch dieser Roman mit dem Thema Alter – allerdings geht es diesmal um verpasste Chancen.
Einsamkeit ist es, die Oki antreibt, nach 14 Jahren zu seiner ehemaligen Geliebten Otoko nach Kyoto zu fahren und mit ihr gemeinsam die Neujahrsnacht zu verbringen. Zwischen ihm und Otoko gibt es viel Unausgesprochenes, denn seit ihrer plötzlichen Trennung vor lange Zeit bestand kein Kontakt mehr zwischen ihnen. Seitdem lastet auch eine Schuld auf Oki, denn der hat die damals erst sechzehnjährige verführt. Das Resultat davon war eine Fehlgeburt, unter der Otoko auch heute noch leidet.
Inzwischen hat es Otoko aber zu einer Künstlerin gebracht, die mit ihrer hübschen und noch sehr jungen Schülerin zusammenwohnt. Die beiden führen eine Beziehung und so treten mit Okis plötzlich Auftauchen Probleme auf: Otokos Schülerin wird eifersüchtig und will Otoko rächen. Dazu muss sie an Oki herankommen, der zufälligerweise einen Sohn in ihrem Alter hat.
Der Fokus der Geschichte verlagert sich immer mehr von Okis Perspektive hin zum Leben von Otoko und ihrer jugendlichen Liebhaberin, die schließlich zur Hauptperson wird. Das Verhältnis verkehrt sich: War Otoko als junges Mädchen hilflos gegenüber ihrem Liebhaber, gewinnen jetzt die Frauen die Überhand.
Neben diesem Beziehungsdrama voll starker Gefühle auf allen Seiten, das natürlich nur in einer Katastrophe enden kann, enthält der Roman auch Reflexionen zur Kunst – auf Okis Seite der abstrakten Malerei, auf Otokos Seite der Literatur. Kawabata verknüpft Trauer und Schönheit als zwei Seiten einer Medaille und zeigt wie auch schon in vorigen Werken, dass Schönheit traurig und Trauer schön sein kann.
Fazit
Starke Gefühle und ein gewisser Hang zur Obsession kombiniert mit Ästhetik machen diesen Roman mitreißend.Verfasst am 16. August 2011 von Friederike Krempin
Tags: Homosexualität, Kyôtô, Nobelpreisträger, verpasste Chancen, Yasunari Kawabata