Historische Romane sind ja immer ein wenig länger. Dieser Roman ist aber mit seinen 571 Seiten nicht nur umfangreich, sondern baut ein komplexes Geflecht aus Figuren und Handlungen auf: Auf drei Zeitebenen und mit so vielen Figuren, dass es einer Übersichtsseite bedarf, erzählt der Roman die Geschichte des Okumichi Clans über 500 Jahre hinweg.
Zu Beginn ist die Geschichte etwas undurchsichtig. Auf den ersten hundert Seiten werden immer wieder neue Figuren und Handlungsorte eingeführt, sodass auch nicht ganz klar ist, worum es eigentlich geht. Um die Geschichte zu verstehen, muss man mit Sorgfalt die Hinweise in den Kapitelüberschriften lesen, wo Ort und Zeit angegeben werden. Auch habe ich gleich zu Beginn immer im Personenregister nachgeschaut, um den Überblick zu behalten.
Die Geschichte in aller Kürze: Im Okumichi-Clan gibt es immer einen männlichen Nachkommen, der seherische Fähigkeiten hat. Vor mehreren hundert Jahren war dies die Dame Shizuka, die vorausgesagt hat, dass eine Amerikanerin erscheinen würde und dem Okumichi-Clan Glück bringen würde. Emily geht dieser Prophezeiung nun auf den Grund.
Natürlich ist hiermit nur ein Teil der umfangreichen und komplexen Handlung zusammengefasst. Neben diesem Handlungsstrang gibt es noch die Konkurrenz zwischen Genji und einem anderen Widersacher, Mordpläne, eine Auswanderung nach Amerika und die Konkurrenz zwischen zwei Amerikanern, die um Emilys Hand anhalten.
Gerade in Kombination mit den hellseherischen Fähigkeiten des Okumichi-Clans wirkt die Geschichte zunächst etwas konfus und eher wie ein Fantasy-Abenteuer. Auch scheint es ziemlich unglaubwürdig, dass die Amerikanerin Emily, die früher Missionarin war, alleine beim Fürsten Genji lebt. Es ist auch immer wieder die Rede von einem Kampf, in dem Emily gemeinsam mit Genji gekämpft hat. Die Hintergründe der Geschichte werden wahrscheinlich erst richtig verständlich, wenn man den ersten Teil Die Stunde des Samurai liest.
Auch wenn der Roman durch die Vermischung von Zeit- und Handlungsebenen durchaus seinen Reiz hat, hat er auch deutliche Schwachstellen. Jeder Handlungsstrang für sich genommen wirkt ein wenig schwach. Die künstliche Verkomplizierung der Handlung durch das Hin- und Herspringen kann darüber zumindest am Anfang hinwegtäuschen, da man damit beschäftigt ist, die Ebenen zu enträtseln. Später zieht sich die Handlung aber über weite Strecken hin. Die Figuren sind zudem nur recht grob ausgearbeitet – Emily besticht natürlich durch ihre Schönheit und Genji durch seine Klugheit und seinen Fortschrittsgeist, richtige Gesichter haben die Figuren für mich aber beim Lesen nicht bekommen.
Etwas unglücklich ist auch der Umgang mit japanischen Eigennamen geraten. Diese werden (auch im englischen Original!) übersetzt, sodass dabei Namen wie Burg Spatzenwolke herauskommen. Dies dient natürlich zur Veranschaulichung der symbolischen Bedeutung der Burg einerseits, andererseits ist es aber auch einfach umständlich. Die japanischen Namen werden ja auch zum Beispiel als Hanako und nicht übersetzt als Blumenkind wiedergegeben.
Fazit
Die anspruchsvolle strukturelle Komposition des Romans kann nicht über die inhaltlichen Schwächen hinwegtäuschen.Verfasst am 30. Juli 2011 von Friederike Krempin