Stell dir vor, deine Ehe ist zerrüttet und dein Mann liest heimlich in deinem Tagebuch. Würdest du die Gelegenheit nutzen, um ihn in den Wahnsinn zu treiben?
Tanizaki ist ein Meister psychologisch-feinsinniger Erzählungen. Auch destruktive, selbstzerstörerische und dramatische Liebesbeziehungen hat er schon in jeder Form veröffentlicht, darunter eine gefährliche Dreiecksbeziehung, eine Beziehung mit Lolita-Komplex und schließlich auch schon einen Roman über eine zerrüttete Ehe. Auch in der Schlüssel geht es wieder um eine Ehe, die dieses Mal bei der die Eheleute dieses Mal nicht in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren.
Trotz der scheinbar unüberbrückbaren Distanz sehnen sich beide Partner nach Intimität und Leidenschaft. Als die Ehefrau bemerkt, dass ihr Mann heimlich ihre Tagebuch liest, beginnt sie ihn subtil über ihre Einträge zu beeinflussen und teilt ihm ihre geheimen intimen Wünsche mit, die sie sich sonst nicht zu erwähnen traut. Der Mann, der seine Frau bisher noch nicht einmal nackt sehen durfte, nutzt dies aus und beide stacheln sich über ihre Tagebucheinträge an – denn auch der Mann führt ein Tagebuch.
Da die gesamte Romanhandlung nur über die Tagebücher der Eheleute vermittelt wird, ist nie ganz klar, wer genau wen manipuliert. Insbesondere zuletzt, als die Situation eskaliert, ist nicht mehr mit Bestimmtheit zu sagen, ob und wer von beiden das Tagebuch des anderen überhaupt noch liest. Tanizaki spitzt den erotischen und psychologischen Konflikt der Eheleute bis zur Katastrophe hin zu.
Dass dieser Roman in Japan zu seiner Veröffentlichung 1956 einen Skandal auslöste, ist heute noch nachvollziehbar. Aus heutiger Sicht ist Der Schlüssel allerdings harmlos – vor allem auch, da die Erotik im Roman sehr subtil ist. Psychologisch faszinierend und schriftstellerisch exzellent konstruiert ist die Geschichte aber nach wie vor.
Fazit
Spannend, psychologisch, verhängnisvoll - und exzellent konstruiert.Verfasst am 10. März 2020 von Friederike Krempin
Tags: Ehe, Erotik, Junichiro Tanizaki, Tagebuch