Um dem Alltagsleben zu entfliehen, braucht man nicht mehr als eine Schachtel: Ein Sichtschlitz rein, überstülpen, fertig. Der Schachtelmann, der abseits von jeglichen gesellschaftlichen Zwängen und Konventionen in seiner Schachtel lebt, erzählt von seinem Leben als Außenseiter.
Anfangs scheint die Geschichte, die der Schachtelmann erzählt, recht konsistent zu sein: Als ehemaliger Photograph lebt er nun in einer Schachtel. Als er sich eines Tages vor einem Wohnhaus einrichtet, schießt der Hausbesitzer mit einem Luftgewehr auf ihn und verletzt ihn an der Schulter. Der Schachtelmann sucht also eine Arztpraxis auf, in der ihm die Arzthelferin anbietet, ihm seine Schachtel für 50.000 Yen abzukaufen.
Dann gerät die Geschichte aus den Fugen. Der Schachtelmann befindet sich auf einmal an einer Fensterscheibe, beobachtet die Arzthelferin und den Arzt, der nun selbst eine Schachtel trägt. Die Arzthelferin zieht sich aus und posiert vor dem Arzt, der zum „Pseudoschachtelmann“ geworden ist.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt war mir nicht mehr klar, was wirklich erlebt ist, welche Szenen sich der Schachtelmann nur ausgedacht hat und inwiefern Schachtelmann und Pseudoschachtelmann vielleicht sogar ein und dieselbe Figur sind. Abe zerstört die Kontinuität der Erzählung unvermittelt:
Auch die Identität des Erzählers, von dem ich bisher angenommen hatte, es handele sich um den Schachtelmann, wird hinterfragt,
Es bleibt schließlich die Frage, wer der Schachtelmann überhaupt ist und in welchem Verhältnis er zum Arzt und der Arzthelferin steht. Für die etwas seltsame Weltsicht des Schachtelmanns und das Verhalten des Arztes und seiner Arzthelferin bietet der Roman eine interessante und durchaus schlüssige Erklärung, die an dieser Stelle aber nicht verraten werden soll. Schließlich bleibt aber auch diese Erklärung bis zum Schluss nur eine Hypothese, sodass Erlebtes und Imaginiertes, Innensicht und Außensicht nicht unterscheidbar sind.
Fazit
Ein wahrhaft verschachtelter Roman, für den man viel Geduld braucht!Verfasst am 1. März 2012 von Friederike Krempin
Tags: Außenseiter, Kobo Abe, Surreales