Wenn es um Bücher über Japan geht, ist Andreas Neuenkirchen nicht mehr aus der Buchlandschaft wegzudenken. Neben einer Krimiserie hat er in den letzten Jahren bereits mehrere Bücher über sein Leben in Japan (z.B. Matjes mit Wasabi, Happy Tokio) verfasst.
Dabei schreibt er stets in einem lockeren, humorvollen Stil, der keine Langeweile aufkommen lässt. Aus diesem Grund war ich auch bereit, sein neuestes Buch über Karaoke zu lesen, obwohl mich persönlich das Thema eher weniger interessiert.
Was ich vermutet hatte, ist aufgegangen: Andreas Neuenkirchen erzählt auch in diesem Buch wieder so kurzweilig, humorvoll und abwechslungsreich vom Kulturphänomen Karaoke, dass ich das Buch schließlich ganz durchgelesen habe.
Neuenkirchen erzählt dabei beispielsweise von den Pionieren des Karaoke im Japan Anfang der 1970er Jahre, die als Bastler kleine Musikboxen mit Münzeinwurf zum zwanglosen Singen in Kneipen bastelten, ohne zu ahnen, welchen Boom sie später auslösen würden (und ohne sich ihre Erfindungen patentieren zu lassen). Shigeishi Negishi und Daisuke Inoue sind dementsprechend keine heute bekannten Namen, allemal aber interessante Persönlichkeiten.
Neuenkirchen geht nicht nur auf die geschichtliche Entwicklung des Karaoke ein (von der öffentlichen Darbietung bis hin zur Präsentation in den heute eher bekannten privaten Séparées), sondern betrachtet Karaoke auch im Hinblick auf unterschiedliche kulturelle Punkte: Warum ist beispielsweise Karaoke in einer kollektivistisch geprägten Gesellschaft wie Japan so beliebt, während in individualistisch geprägten westlichen Gesellschaften das Singen im Chor populärer ist?
Die Geschichte des Karaoke beschränkt sich dabei keinesfalls auf Japan. Besonders populär ist Karaoke auf den Philippinen, wo ein ganz bestimmtes Lied angeblich sogar zu mehreren Todesfällen beim Karaoke führte.
Über Karaoke gibt es also viele unterhaltsame Geschichten zu erzählen. Neuenkirchen präsentiert all dieses Detailwissen in kleinen Anekdoten und der lockeren Schreibweise, die man von seinen übrigen Romanen kennt. Obwohl das Buch in erster Linie ein gut unterhaltendes Sachbuch sein will, wird Neuenkirchen im letzten Kapitel auch persönlich und erzählt von seinen eigenen Erfahrungen mit Karaoke.
Trotz aller Unterhaltsamkeit bleibt zum Schluss die Frage, wer Zielgruppe dieses Buches ist. Zwar ist Karaoke irgendwie ein japanisches Phänomen, trotzdem ist das Buch für mich kein Japan-Kultur-Erklärbuch, sondern in erster Linie ein Buch über Karaoke, bei dem Japan einen wichtigen Anteil ausmacht. Da auch viel technisches Wissen sowie Musikwissen vermittelt wird, ist das Buch sicher auch interessant für Musikfans. Eine breite Leserschaft könnte es aufgrund der sprachlichen Zugänglichkeit jedenfalls finden.
Ohne dies positiv oder negativ werten zu wollen, möchte ich zum Schluss noch den Hinweis geben, dass im Sachbuch regelmäßig mit Sternchen gegendert wird. So entstehen Konstruktionen wie beispielsweise „Ein*e gewohnheitsmäßige*r Japan-Reisende*r“. Sofern es geht, werden diese Konstruktionen aber durch neutrale Ausdrücke vermieden, sodass die Sternchen den Text nicht dominieren.
Fazit
Ein unterhaltsames Buch über die Kulturgeschichte des Karaoke - nicht nur für Japanfans.Verfasst am 17. Februar 2025 von Friederike Krempin