Was japanische Übersetzungen für den deutschen Buchmarkt angeht, liegen scheinbar Romane mit lose verbundenen Kurzgeschichten, die kleine Erkenntnisse und Lebensweisheiten vermitteln, im Trend.
Schaut man sich aktuelle Neuerscheinungen an, so folgen einige davon einem ähnlichen Muster: Ein besonderer Ort oder eine besondere Person bietet eine Dienstleistung an, die es nur dort gibt. Verschiedene Personen besuchen diesen Ort, erzählen ihre Geschichte und erhalten eine für sie wichtige Erkenntnis. Oft ist diese so verallgemeinerbar, dass auch die Leser daraus etwas für sich mitnehmen können, wenn sie in einer ähnlichen Lebenssituation sind.
Im Cafe der vergessenen Erinnerungen beispielsweise können die Gäste ein letztes Mal mit Verstorbenen sprechen und offene Fragen klären. Im Restaurant der verlorenen Rezepte können die Kunden ein Gericht aus der Vergangenheit bestellen und erhalten es so exakt nachgekocht, dass der Geschmack alte Erinnerungen heraufbeschwören, aber auch neue Erkenntnisse über Vergangenes einbringen kann.
Bei diesem Titel nun ist es die Bibliothekarin einer kleinen Gemeindebibliothek, die ihren Kunden Bücher empfiehlt. Frau Komachi ist dabei nicht, wie man sie sich vielleicht zunächst vorstellen würde: redselig, liebenswürdig, immer mit einem offenen Ohr. Sie sitzt versteckt in einer Ecke der Bibliothek, wirkt eher schroff und beschäftigt sich die meiste Zeit mit Filzarbeiten. Berät sie ihre Kunden, so geht dies schnell und ohne viele Worte. Sie überreicht ihnen jeweils eine Liste mit Buchtiteln sowie eine kleine Filzarbeit.
Mit ihren Buchempfehlungen – die thematisch gar nicht unbedingt zu dem passen, was die Kunden ursprünglich haben wollten – trifft Frau Komachi oft ins Schwarze. Die Bücher bilden den Anstoß für die Kunden, etwas in ihrem Leben zu verändern. Am Ende dieses Veränderungsprozesses steht die Filzarbeit, die auf geheimnisvolle Weise einen Gegenstand, der mit dieser Veränderung zu tun hat, symbolisiert.
Die einzelnen Geschichten im Buch laufen alle nach diesem Schema ab. Alle in den Geschichten vorkommenden Figuren haben zudem ein Problem, das mit ihrer Lebens- beziehungsweise Berufssituation zusammenhängt. Dabei sind die einzelnen Situationen alle so gestaltet, dass sich wohl jeder in einer dieser Geschichten wiedererkennen und ein paar Erkenntnisse für sich mitnehmen kann.
Neu sind die Erkenntnisse nicht unbedingt, aber sie sind sehr charmant verpackt. So symbolisiert die Filzarbeit von Frau Komachi selbst am besten die Grundaussage des Buches:
„Das Tolle beim Filzen ist, dass man mittendrin neu anfangen kann. Selbst wenn es schon eine gewisse Form angenommen hat, kann man den Kurs ändern […]“ (Auszug aus: Michiko Aoyama – Frau Komachi empfiehlt ein Buch, E-Book-Ausgabe
Die positive Botschaft, jederzeit einen neuen Kurs einschlagen zu können, ist vielleicht der Grund, warum die Geschichten um Frau Komachi so gut ankommen.
Fazit
Kleine, charmante Geschichten für fast jeden, der über eine Veränderung seiner Lebenssituation nachdenkt.Verfasst am 30. August 2023 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 19. September 2024