Die Teufel des Tsurugi-Berges

Die Teufel des Tsurugi-Berges



お伽草紙

Der Zweite Weltkrieg ist gerade zu Ende, als Osamu Dazai diese vier Nacherzählungen japanischer Märchen veröffentlicht. Vor dem Hintergrund des Krieges gestaltet er die Märchen neu aus, jedoch anders, als man es erwarten würde.

Den Märchen haftet nämlich nichts Schwermütiges an, wie man es von Dazai eher gewohnt ist. Vielmehr sind sie humorvoll und individuell ausgestaltet. Bedenkt man die Situation, in der die Märchen erzählt werden – der Erzähler ist ein Vater, der mit seinen Kindern in einem Luftschutzgraben sitzt – ist es vielleicht auch kein Wunder, dass die Geschichten im Vergleich zu Dazais sonst eher düsteren Erzählungen leichter und unbekümmerter wirken: Die Geschichten sind eher aufmunternd als deprimierend, sollen in der schwierigen Situation Halt geben.

Der Vater beziehungsweise Erzähler meldet sich auch während der Märchenerzählungen zu Wort. Er kündigt an, wenn er Veränderungen vornimmt, vergleicht die Märchen mit Stoffen aus der griechischen Mythologie, sucht in ihnen Aspekte und Themen japanischen Erzählens oder sucht – auch durchaus mit Humor – nach der Moral des Märchens:

„Wirklich, das hatte ein bedauerliches Ende genommen. Märchen enden gewöhnlich damit, dass die Missetäter bestraft werde, doch dieser Alte hatte wirklich nichts Schlechtes getan. […] Deshalb wird es schier unmöglich sein, aus der Geschichte des „Mannes mit der Beule“ eine Moral für den Hausgebrauch zu ziehen.“ (S. 27)

Besonders Spaß macht es natürlich nur die neu gestalteten Geschichten zu lesen, wenn man sie kennt und weiß, wie sie ausgestaltet sind. Die Märchen sind allesamt in ihrer überlieferten Form angehängt und es empfiehlt sich, sie vor der eigentlichen Lektüre zu lesen.

So bietet das Buch gleich zweierlei: Einen Einblick in die japanische Kultur- und Literaturgeschichte mit den klassischen Märchen, aber auch einen Einblick in die Erzählkunst eines Autors, der schon allein durch seine Biografie (Isolation, Drogensucht, viele Selbstmordversuche, von denen der letzte schließlich 1948 glückt) ein höchst interessanter Charakter ist.

„Ja, und wenn ein reizbarer Leser mich bedrängen sollte mit der Frage, warum in aller Welt ich denn diese Geschichte geschrieben habe, so würde mir nichts anderes übrig bleiben als ihm zu antworten:
Es ist eine Tragikomödie der Charaktere. Denn solcherart sind die Probleme, die der menschlichen Existenz zugrunde liegen.“ (27)

Fazit

Mehr als bloße Nacherzählungen. Dazai gestaltet die japanischen Märchen neu aus.

Verfasst am 1. Oktober 2012 von
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 23. August 2019

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