Was würdest du tun, wenn deine Mutter schwer erkrankt ist und nur noch wenige Tage zu leben hat? Dich mit ganz Herzen um sie kümmern? Oder würdest du zu ihr auf Distanz gehen?
Die namenlose Erzählerin ist Mitte Zwanzig und arbeitet als Hostess im Rotlichtbereich Tokyos. Eine kleine Wohnung und eine billige Einrichtung einerseits, teure Designertaschen und ausschweifende Nächte andererseits bilden ihren Alltag.
Die junge Frau ist schon lange unabhängig – mit 17 Jahren zog sie zu Hause aus. Nun liegt ihre Mutter mit nur 54 Jahren im Sterben und zieht bei ihr ein, um ein paar letzte gemeinsame Tage miteinander zu verbringen.
Doch die junge Frau bleibt scheinbar emotional regungslos, beschreibt mit einer Kühle und Distanziertheit das Leiden ihrer Mutter, die die Frage aufwerfen, was zwischen beiden vorgefallen ist. Im Laufe des nur 112 Seiten umfassenden Romans, den man an einem Stück in ein bis zwei Stunden durchlesen kann, erfahren wir schließlich mehr über Mutter und Tochter und das entscheidende Ereignis, das die junge Frau traumatisiert hat und ihr Leben bis heute prägt.
Suzumi Suzuki erzählt in schnörkelloser, klarer Sprache von zwei Frauen, die im Nachtleben Tokyos ihren eigenen Weg gehen und so ein von Männern unabhängiges Leben leben können. Sie erzählt aber auch von dem Preis, den die beiden dafür zahlen, von Einsamkeit, Trostlosigkeit und schließlich auch einer großen Sprachlosigkeit. Selbst im Angesicht des Todes gelingt es beiden nicht, diese Sprachlosigkeit zu überwinden.
Die Gabe ist ein insgesamt sehr trauriger, bedrückender Roman, insbesondere was die Beziehung zwischen Mutter und Tochter angeht. Der Einblick in das Tokyoter Nachtleben und deren Figuren, die am Rande der Gesellschaft stehen, macht den kurzen Roman jedoch sehr lesenswert.
Fazit
Ein Roman über Japans Nachtleben und zwei willensstarke Frauen, über den Tod und viele offene Fragen.Verfasst am 29. Januar 2025 von Friederike Krempin