Etsuko Sono ist ganz allein. Der Mann, mit dem sie in die USA ausgewandert ist, ist bei einem Unfall gestorben. Als auch noch ihre Schwester bei der Geburt ihres ersten Kindes stirbt, macht sie es sich deshalb zur Aufgabe, sich um ihre Nichte zu kümmern.
Mit dieser neuen Aufgabe beginnen Etsukos Aufzeichnungen im Jahr 1922. Sie beschließt, in japanischer Erzähltradition einen Ich-Roman zu schreiben. Doch schon auf der ersten Seite passiert ihr, was sich wie ein roter Faden durch die gesamte Erzählung hindurchziehen wird:
Etsuko schweift ab und erzählt nicht ihre Geschichte. Anfangs ist dies sehr irritierend, da scheinbar ein roter Erzählfaden zu fehlen scheint. Etsuko berichtet über das Aufwachsen ihrer Nichte, über die gemeinsame Rückkehr nach Japan und über ihre eigene Mutter, zu der sie ein gestörtes Verhältnis hat. Platz für Etsuko bleibt in ihren Aufzeichnungen wenig, sie muss sich ihn erst langsam erkämpfen.
Etsuko verhandelt dafür viele andere Themen: die ständige Angst, sich von ihrer Ziehtochter wieder trennen zu müssen, die Kontraste zwischen Japan und Amerika und die Probleme, die den beiden begegnen, als sie aus den USA nach Japan zurückkehren.
Etsukos Beobachtungen schließen außerdem viele Details zur japanischen Kultur mit ein. Mit viel Liebe zum Detail werden „japanische“ Handlungsmuster und Besonderheiten beschrieben, die wohl für uns als traditionell japanisch gelten würden. Auch die aktuellen historischen Hintergründe, der sich entwickelnde Nationalismus in den 20er und 30er Jahren, sind ein wichtiges Thema in ihren Aufzeichnungen.
Die Geschichte um Etsuko und ihre kleine Familie verläuft eher unspektakulär und hat manchmal auch einige Längen, in denen ein roter Faden zu fehlen scheint. Diese fehlende Stringenz bei der Erzählung spiegelt aber Etsukos eigene Probleme, die Suche nach sich selbst und einem Lebensziel, wider.
Fazit
Unter dem Deckmantel einer japanischen Familiengeschichte verbirgt sich ein psychologischer Roman mit Tiefe.Verfasst am 25. Dezember 2011 von Friederike Krempin
Tags: Familiengeschichte, Frauen in Japan, Interkulturelle Begegnung, Japaner in Amerika, Kindheit und Jugend, Vorkriegszeit