Die Aosawa-Morde belegte 2022 Platz 1 der Krimibestenliste. Nun ist der anspruchsvolle und vom Aufbau her ungewöhnliche Krimi auch als Taschenbuch erschienen.
Die Rezensionen, beispielsweise bei Amazon, sind in ihrer Tendenz sehr gemischt. Einige loben den Krimi für seine spezielle Erzählweise, andere sind gerade davon enttäuscht. Wie kommt es zu solch einer Diskrepanz?
Die Aosawa-Morde beginnt sehr atmosphärisch. Eine Frau, die als Kind Zeugin der Morde war , beschreibt die Atmosphäre der Stadt, in der die Aosawa-Morde geschehen sind. Es handelt sich um eine kleine Stadt zwischen Bergen und Meer, in der es im Sommer sehr heiß wird:
„Diese Schwüle! Solch eine blutrünstige Hitze entzieht einem jede Lebensenergie. Die Wolken hängen so tief, als könnte man sie berühren, und um sie herum leuchtet es stumpf, das Himmelsblau ist trüb. An solchen Tagen kommen nachmittags schwere Regengüsse. “ (Auszug aus Die Aosawa Morde von Riku Onda, E-Book-Ausgabe)
Monologartig erzählt die Frau einem imaginären Zuhörer davon, wie die in der Stadt angesehene und reiche Familie Aosawa bei einem Familienfest nahezu vollständig vergiftet wurde. Überlebt hat nur die blinde Tochter Hisako. Den Mordfall hat die Frau nachträglich recherchiert und in dem Roman das vergessene Fest festgehalten.
Bis hierhin ist die Erzählweise atmosphärisch und es scheint zunächst, als würde die Frau den Mordfall das gesamte Buch über näher beleuchten. Ihr Kapitel macht aber nur 10% des Buches aus. Mit dem folgenden Kapitel bricht der Erzählstil. Es dauert ein, zwei Seiten, bis ich bemerke, dass nun eine andere Person von den Aosawa-Morden erzählt. In welcher Beziehung diese Person zu der Frau aus dem ersten Kapitel des Romans steht, klärt sich erst langsam.
Es folgen weitere abrupte Umbrüche, in denen die Erzählperspektive wechselt. Wer warum erzählt, drängt sich nicht sofort auf, sondern ich muss beim Lesen aufmerksam bleiben, um die Zusammenhänge zu erkennen.
Erschwert wird die Aufklärung des Mordfalls dadurch, dass die unterschiedliche Figuren unterschiedliche Wahrheiten präsentieren und der Mordfall, je weiter der Roman voranschreitet, eher undurchsichtiger als verständlicher wird. Da auch eine klare Auflösung fehlt – auch wenn es eine klare Tendenz gibt, wer der Mörder war – ist Die Aosawa-Morde trotzdem spannend bis zum Schluss.
Doch die nicht ganz eingängliche Erzählweise und das nicht eindeutige Ende erklären zugleich die starke Diskrepanz zwischen lobenden und kritischen Rezensionen. Wer Die Aosawa-Morde lesen möchte, sollte deshalb vorher wissen, dass er sich auf ein ungewöhnliches, nicht immer einfaches Buch einlassen muss.
Fazit
Ein atmosphärisch und erzähltechnisch außergewöhnlicher Krimi, der seine Auszeichnung zu Recht erhalten hat.Verfasst am 17. November 2024 von Friederike Krempin