Ein schmales Bändchen von kaum 80 Seiten, doch gewichtigem Inhalt, fordert zu einer Besprechung heraus. Es geht um zwei kurze Texte des Philosophen Karl Löwith aus den Jahren 1942/43, die im Jahr 2013 erstmals auf Deutsch publiziert wurden.
Karl Löwith, geboren im Januar 1897 in München, war Schüler Edmund Husserls und insbesondere Martin Heideggers. Mit letzterem hat er sich allerdings schon früh sehr kritisch auseinandergesetzt. Ein Rockefeller-Stipendium ermöglichte Löwith 1934 die Flucht nach Italien, weil er von den Nationalsozialisten, obwohl protestantisch getauft, als Jude verfolgt wurde. Nachdem Benito Mussolini 1936 für Italien die Nürnberger Rassegesetze übernommen hatte, emigrierte er nach Japan und lehrte dort bis 1941 an der kaiserlichen Tohoku-Universität Sendai. Als deutscher Emigrant von dem mit dem Dritten Reich verbündeten Kaiserreich Japan nicht mehr geduldet, musste er Japan verlassen. So reiste er in die USA weiter und lehrte dort bis 1952. In diesem Jahr folgte er einem Ruf an die Universität Heidelberg, wo er bis zu seiner Emeritierung 1964 lehrte. 1973 starb er in Heidelberg.
Die beiden Essays „Der japanische Geist“ von 1943 und „Japans Verwestlichung und moralische Grundlage“ von 1942/43 sind als Zeitschriftenartikel verfasst worden und im Zuge einer Aufforderung der US-Regierung an die Emigranten aus Europa und Ostasien entstanden, sich aus ihrer jeweiligen fachspezifischen Sicht über die beiden Kriegsgegner der USA, Deutschland und Japan zu äußern. Unter diesem Auftrag sind eine ganze Reihe von Werken entstanden, zu dessen bekanntesten „Chrysantheme und Schwert“ der Kulturanthropologin Ruth Benedict zählt, wenngleich es erst nach Ende des II. Weltkrieges im Jahr 1946 erschien.
Insbesondere „Der japanische Geist“ mit dem Untertitel, wohl aus redaktionellen Gründen hinzugefügt, „Ein Porträt der Mentalität, die wir verstehen müssen, wenn wir siegreich sein wollen“, beschreibt in einer auch heute noch lesenswerten Form gleichsam die Essenz japanischen Denkens und Fühlens. Löwith geht selbstverständlich auf die „Klassiker“ Zen, Haiku, Teekult und Samurai ein. Sein Bild von den amphibisch lebenden Japanern, die im Büro westliche, zuhause traditionelle Kleidung trügen und so gleichsam mit Lungen und Kiemen atmend an Land und im Wasser lebten, ist sehr einprägsam und beschreibt das Spannungsverhältnis, in das die von oben verordnete „Verwestlichung“ das japanische Volk versetzt hat. Die Übernahme westlicher Errungenschaften in einer beispiellosen Aufholjagd unter Kaiser Meiji entwickelte sich nicht aus freien Stücken aus der Mitte der Gesellschaft heraus, sondern erfolgte in Treue zu einem kaiserlichen Erlass. Diese Treue zum Kaiser prägte nicht nur bis ins 20. Jahrhundert hinein die japanische Gesellschaft. Wenn man die derzeitige nationalkonservative Politik Japans betrachtet, zeigt sich die Aktualität der löwithschen Betrachtungen von vor über 70 Jahren.
Fazit
Gut lesbare, immer noch/wieder aktuelle Texte eines Japankenners.Verfasst am 14. September 2014 von Thomas
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