Igort, eigentlich Igor Tuveri und gebürtiger Sarde, ist einer der ersten europäischen Zeichner, die für japanische Manga-Verlage arbeiteten. Den Druck, dem die im Akkord arbeitenden Zeichner ausgesetzt sind, beschreibt er in Bild und Text sehr plastisch.
Seine „Berichte aus Japan“ sind eine Verneigung vor zwei Heroen des Manga, nämlich zu allererst vor dem Urahn aller Manga-Zeichnerinnen und –zeichner, Katsushika Hokusai. Auf den geht der Begriff „Man-ga“ (Zufallszeichnung) zurück. Sodann vor „manga no kami-sama“ Tezuka Osamu, dem „Gott des Manga“ (und des Anime sollte ich hinzufügen), der als Zeichner so großartige und erfolgreiche Geschichten wie „Astro Boy“ und „Buddha“ schuf und ein Pionier des Anime war. Aber es ist auch eine Verbeugung vor dem alten Japan, zumindest dem bis zum II. Weltkrieg bestehenden. Und insofern ist Igort der romantische Gaijin, der das alte Japan mit der Seele sucht – und als Bild eher in sich als in der Realität findet. Natürlich hat er seinen Roland Barthes gelesen. „Eine Reise ins Reich der Zeichen“ heißt sein jüngstes Werk im Untertitel. Doch im Unterschied zum Philosophen (L’empire des signes, 1970) ist er nicht Poststrukturalist geworden. So erzählt er viele Geschichten „von damals“: etwa die von Abe Sada. Das war jene Frau,die mit ihrer Lebensgeschichte Vorbild für Nagisa Oshimas „Im Reich der Sinne“ und drei weitere Spielfilme war. Auch singt er das weit verbreitete westliche Loblied auf Jun’ichiro Tanizakis „Lob des Schattens“, auch so ein vormoderner Klassiker. Seine Suche nach frühen Manga-Originalausgaben und Animekopien bringt ihn mit unterschiedlichsten Personen zusammen und an unterschiedlichste Orte. Man freut sich mit ihm über neue Funde und erlebt seine Gespräche mit Fachleuten und begeisterten Sammlern mit, als säße man still daneben. Dadurch erfährt man viel über die Manga-Gemeinschaft, noch mehr aber über den schon als Heranwachsender von Japan Begeisterten, der diese Begeisterung zum Beruf machen und sogar eine zeitlang im Land seiner Träume arbeiten konnte. Da ist er dann recht nah an Barthes, der „L’emire des signes“ schrieb, um sich darüber klar zu werden, was Japan mit ihm gemacht hatte. Auch Igort beschreibt bild- und textlich, was „Japan“ in ihm auslöst, mit ihm macht.
Igorts jüngstes Werk ist eine Fundgrube unterschiedlichster Themen, Geschehnisse und Zeichenstile. Überaus flexibel beherrscht er verschiedenste Darstellungsweisen, gibt gelegentlich auch durchaus zu erkennen, dass er „jetzt im Stil von …“ zeichne. Die einzige Konstante des Buches sind die Schrift und die ersten Seiten der Kapitel auf scheinbar vergilbtem liniertem Papier. Die zahlreichen historischen, altertümlichen und neueren Photographien sind bedauerlicherweise unzureichend wiedergegeben. Ich mag nicht glauben, dass das Absicht war, um sie nicht zu sehr von den Zeichnungen abstechen zu lassen, sondern wohl eher dem Papier und dem Druck geschuldet ist.
Fazit
Wer hinter die Kulissen des Manga-Business gucken und Igort näher kennen lernen will, bekommt ein prall gefülltes Schatzkästlein.Verfasst am 29. Dezember 2016 von Thomas